Nach Aussage von Brokern droht eine Welle von Kapitalforderungen, mit denen die Anleger ihre mit geliehenem Geld getätigten Geschäfte nachsichern müssen. Weiter fallende Kurse könnten so zu Zwangsverkäufen von Aktien im Wert von mehreren Milliarden Dollar führen.

«Wir stellen Nachschussforderungen, oder sogenannte Margin Calls, so gut wie jeden Tag», sagte Hannah Feng, Mitarbeiterin eines grossen Brokers in Shanghai. «Und da der chinesische Aktienmarkt weiter fällt, haben einige Kunden ihre Margin-Kredite zurückgezahlt und sind danach sofort ausgestiegen.»

Bei einem Margin Call fordert eine Bank einen Kunden auf, mehr Sicherheiten zu stellen, wenn ein Geschäft, das teilweise mit geliehenem Geld finanziert wurde, stark an Wert verloren hat. Können diese Sicherheiten nicht beigebracht werden, veräussern die Kreditgeber üblicherweise die Wertpapiere, um an das geschuldete Geld zu gelangen.

Nach Schätzungen der Maklergesellschaft Zheshang Securities beläuft sich der Wert der Aktien, die von einer solchen Zwangsliquidation bedroht sind, auf insgesamt 183,6 Milliarden Yuan (umgerechnet rund 25 Milliarden Euro). Ende November seien es noch ein Viertel weniger gewesen.

Auch Grossaktionäre börsennotierter Unternehmen, die Kredite mit ihren Aktien besichert haben, sehen sich zunehmend mit Nachschussforderungen konfrontiert. In diesem Jahr haben bereits fast 100 börsennotierte Firmen bekannt gegeben, dass ihre Grossaktionäre zusätzliche Sicherheiten hinterlegt hätten. Sie betonten allerdings, dass sie noch nicht von einer Zwangsliquidation bedroht seien.

Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen fiel im Januar um 6,3 Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief. Hintergrund war die stockende Erholung der zweitgrössten Wirtschaft der Welt trotz zahlreicher staatlicher Massnahmen. Zwangsverkäufe könnten zu einem weiteren Kursverfall führen.

Die Makler befürchten, dass auf diese Weise ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird, in dem sich Zwangsverkäufe und fallende Aktienkurse gegenseitig verstärken. Nach Schätzungen des Brokers Guotai Junan Securities könnte ein Einbruch der chinesischen Börsen um weitere zehn Prozent Nachschussforderungen in Höhe von fast 100 Milliarden Yuan auslösen, bei 20 Prozent wären es 360 Milliarden.

(Reuters)