Es ist fast schon eine Posse: Swatch-Chef Nick Hayek sorgte mit Aussagen über einen möglichen Börsenrückzug in einem Interview mit der «Bilanz»am Donnerstag für Aufsehen, die Aktie legte 12 Prozent zu. Dann dementierte er solche Pläne jedoch bereits am Freitagmorgen gegenüber der «NZZ». "Wir haben immer gesagt, es wäre schön, das Unternehmen von der Börse zu nehmen".
In den letzten anderthalb Jahren fiel der Aktienkurs von über 340 bis zeitweise knapp unter 150 Franken diese Woche. Derzeit notiert die Aktie bei 180 Franken. Schub erhielt der Titel - wie anderen Uhren- und Luxusgüterartikelherstellern auch - wegen der Massnahmen in China zur Unterstützung des Konsums.
Angesichts einer solch lausigen Aktienperformance wäre bei vielen anderen Unternehmen beziehungweise deren Investoren die Frage nach dem CEO längst gestellt worden. Bei Swatch bleibt sie aus, da die Familie Hayek 26 Prozent des Kapitals und 43 Prozent der Stimmrechte der Swatch Group kontrolliert.
Ein "Going Private" als Ausweg aus der Krise erscheint aber nicht völlig abwegig. Durch einen solchen Schritt könnte die Familie Hayek noch mehr Kontrolle über das Unternehmen erlangen – zudem entfielen lästige Fragen und Druck von Investoren und Analysten. Die Verschlechterung der Kommunikation könnte auf bevorstehende Schritte hinweisen, muss aber nicht.
Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank sagt: «Die Familie Hayek würde die Swatch Group sofort von der Börse nehmen, wenn sie könnte.» Schon Hayeks Vater Nicolas, der Gründer der Gruppe, wollte die Firma von der Börse zurückziehen und initiierte dafür mehrere Aktienrückkaufprogramme, um den Anteil am Konzern kontinuierlich zu erhöhen. Sein Sohn führte diese Strategie fort: 2019 kaufte die Swatch Group eigene Aktien im Wert von einer Milliarde Franken zurück, und im Juli dieses Jahres nutzte Hayek die niedrigen Kurse für weitere Zukäufe.
Eine Privatisierung scheint damit trotz Dementi näher als je zuvor. Derzeit würden jedoch etwa acht Milliarden Franken benötigt, um dies zu realisieren, wie aus dem Interview in der Bilanz hervorgeht. Hayek fehlt aber dieses Geld. Schwendimann sagt: «Die Option einer Privatisierung hat einen grossen Haken. Die Familie Hayek will sich nicht verschulden.» Dies sagte Hayek selbst in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» im August: «Leider ist ein Going Private nicht möglich, ohne dass wir uns massiv verschulden. Und Schulden mögen wir gar nicht.»
Schwendimann erklärt gegenüber cash.ch, dass Swatch daher einen oder mehrere gleichgesinnte Partner benötige. Doch «die Interessen der Familie Hayek und eines möglichen Partners unter einen gemeinsamen Hut zu bringen, ist sehr schwierig.» Er schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Privatisierung derzeit auf unter zehn Prozent. Es fehlt nicht nur an Geld, sondern auch an potenziellen Partnern, die bereit wären, sich mit der Familie Hayek auf eine Partnerschaft einzulassen.
Warum eine Privatisierung doch möglich ist - Und wer mitbieten könnte
Für den US-Vermögensverwalter Bernstein ist die Swatch Group hingegen ein wahrscheinlicher Kandidat für eine Privatisierung und empfiehlt die Aktie mit einem Kursziel von 256 Franken zum Kauf. «Wir gehen davon aus, dass die Familie Hayek ein bis zwei Milliarden Franken für ein mögliches Delisting zur Verfügung hat, wenn man bedenkt, dass sie in den letzten 20 Jahren 1,5 bis 2,3 Milliarden Franken kassiert hat», schreibt Analyst Luca Solca in einem Report, der cash.ch vorliegt.
Was ebenfalls wichtig ist: Hayek müsste möglicherweise nur eine geringe Nettoverschuldung aufnehmen. Jegliche Schulden könnten weitgehend mit den überschüssigen Barmitteln des Unternehmens getilgt und das zusätzliche Inventar vermarktet werden, sobald die Familie die volle Kontrolle hat. Ende Dezember 2023 verfügte die Swatch Group über eine Nettoliquidität von 1,7 Milliarden Franken. Gold und Diamanten machten am Ende des Geschäftsjahres 2023 etwa 33 Prozent der Gesamtbestände aus.
Doch Hayek könnte bei einem Börsenrückzug auf Hindernisse stossen: Der französische Luxusgütergigant LVMH zeigt weiterhin Interesse an Schweizer Uhren. LVMH besitzt zum Beispiel seit 1999 den Brand Tag Heuer aus la Chaux-de-Fonds. Zwei der drei wahrscheinlichsten Nachfolger von LVMH-CEO Bernard Arnault (Frédéric und Jean Arnault) sind im Uhrenbereich tätig. Bernstein deutet an, dass sich die beiden mit einer Übernahmeschlacht als "würdige Führungskräfte" profilieren könnten.
LVMH könnte dann seine Karten ausspielen, wenn die Hayeks ihre Pläne für ein Delisting offenlegen. Ende Dezember 2023 verfügte LVMH über eine Nettoliquidität von 7,4 Milliarden Franken. Laut Bernstein müsste LVMH mindestens 287 Franken pro Swatch-Aktie bieten, um erfolgreich zu sein.
3 Kommentare
Die Swatch Group ist heute der Inbegriff eines schlecht geführten Unternehmens. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Ein Going Private würde wohl auch mit der gleichzeitigen Veräusserung einiger Teile der Swatch Group einhergehen - aus strategischen, finanziellen und vermutlich auch persönlichen Gründen.
Hinzu kommt, dass die Hayeks ihre Swatch Aktien durchaus auch für ein Going Private belehnen könnten. Das würde vermutlich pre-Going Public weitere 1 - 1.5 Mrd. Mittel beisteuern, post-Going Public könnte dieser Betrag vermutlich verdoppelt werden. Zusammen mit den verfügbaren Mitteln der Hayeks plus einer Teilveräusserung der Swatch Group, könnte das hinkommen.
Last but not least darf man nicht vergessen, dass Hayek Swatch seit bald 2 Jahren überproduzieren lässt. Er füllt die Lager bis an die Decke. Die Bewertung des Lagers wird eher zu Fabrikations- und eher nicht zu Marktwerten erfolgen. MIt anderen Worten: Die dadurch entstehende Wertvermiderung bezahlen die aktuellen Aktionäre. Bei einem, Going Private hätte Hayek das Lager voll, könnte die Produktion und damit die Kosten runterfahren und dennoch den Markt maximal bedienen, sobald dieser wieder anzieht. Ein Schlem wer Böses dabei denkt.
Sorry, ich schrieb ein paar Mal "Going Public" anstatt "Going Private" - macht der Gewohnheit :-)