Binnen Minuten nach der Zahlenvorlage hatten deutsche Bundesanleihen fast die Hälfte dessen eingebüßt, was sie am Tag zuvor zugelegt hatten. Der Kurssprung am Donnerstag hatte auf der Erwartung basiert, dass selbst die Europäische Zentralbank sich dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern dürfte.
Doch die steigenden Beschäftigtenzahlen nährten dann wieder die Sorge, dass die USA eine größere Dosis geldpolitischer Straffung benötigt. Der Markt hat offenbar immer noch eine zu optimistische Sichtweise. “Auch wenn wir nicht mehr viele Zinserhöhungen sehen werden, bedeutet das nicht, dass wir über den Berg sind”, erklärte Volkswirt Azad Zangana, Europa-Stratege bei Schroders.
Die EZB hat die Zinsen am Donnerstag um einen halben Prozentpunkt auf 2,5 Prozent angehoben, den höchsten Stand seit 2008. Zudem signalisierten die Währungshüter eine weitere Anhebung um 50 Basispunkte im März. Die Bondmarktrally, die angesichts der Ausführungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde einsetzte, basierte auf ihrer Einschätzung, dass die Risiken nun “ausgewogener” seien.
“Die Voraussetzungen für höhere Zinsen sind gegeben - das Wachstum ist gefestigt und die Kerninflation in Europa sowie in China hält sich hartnäckig”, sagt Ute Rosen, Derivatspezialistin bei Union Investment.
"Wunschdenken"
Nach dem katastrophalen Bondmarkt-Jahr 2022 sind die Anleger geneigt, auf Anzeichen einer Pause bei den Zinserhöhungen zu reagieren. Die Rally am Donnerstag sei “ein Fall von Short-Eindeckung”gewesen und spreche “für ein gewisses Maß an Angst, etwas zu verpassen”, erklärte Volkswirt Marc Ostwald von ADM Investor Services. “Die Märkte sind größtenteils absichtlich blind und haben einen starken Hang zum ‘Wunschdenken’.”
Die Rendite zehnjähriger Bunds stieg am Freitag auf 2,20 Prozent und holte damit mehr als die Hälfte des 20-Basispunkte-Rückgangs vom Donnerstag wieder auf. Die Wetten auf das Maximalniveau der EZB-Zinsen stiegen um 5 Basispunkte auf 3,45 Prozent. Vor der EZB-Sitzung am Donnerstag waren 3,5 Prozent eingepreist gewesen.
Die Real-Zinsen sind nach der EZB-Sitzung am Donnerstag zurückgegangen, was der EZB laut Antoine Bouvet von der ING Bank ein Dorn im Auge sein dürfte. Der inflationsbereinigte fünfjährige ESTR-Swapsatz hat sich mehr als halbiert auf rund 18 Basispunkte.
Es benötigt Geduld
EZB-Räte bemühten sich, bei der Interpretation der EZB-Beschlüsse als taubenhaft gegenzusteuern. Gediminas Simkus betonte am Freitag, dass die für den nächsten Monat geplante Anhebung der Zinsen um einen halben Punkt womöglich nicht die letzte sein werde. Peter Kazimir unterstrich, dass der Kampf gegen die Inflation “noch lange nicht gewonnen” sei.
Die Ende letzter Woche von der EZB veröffentlichte Umfrage unter professionellen Prognostikern zeigte, dass die Erwartungen für die Gesamt- und Kerninflation im Jahr 2025 über dem Zielwert von 2 Prozent liegen.
“Ich bin überrascht, dass die Zentralbanken nicht nachdrücklicher darauf hingewiesen haben, dass der Markt sich gedulden muss, bis es zu einer Zinssenkung kommt”, sagte Howard Cunningham, Portfoliomanager im Bereich festverzinsliche Wertpapiere bei Newton Investment. “Wir glauben zwar, dass der reale Inflationsschock nachlässt, sind aber nicht davon überzeugt, dass der Krieg gegen die Inflation gewonnen ist. Die Schlacht vielleicht, aber nicht der Krieg.”
(Bloomberg)