Der Konzern bezifferte seinen Auftragsbestand am Montag (Ortszeit) auf nur noch 191 Maschinen des Typs, 38 Prozent weniger als auf der Website des Konzerns genannt. Weil sich die Erstauslieferung des Modells auf Ende 2023 verschiebt, können einige Kunden von ihren Bestellungen zurücktreten. Boeing erklärte den verringerten Auftragsbestand mit einer Bilanzierungsregel, nach der der Konzern gefährdete Bestellungen von der Liste nehmen müsse.
Boeing hatte vergangene Woche weitere Verzögerungen bei der Entwicklung und Zulassung des Modells bekanntgegeben. Mit der Verschiebung auf Ende 2023 liegt die erste Auslieferung rund drei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Ende 2020 verbuchte Boeing in diesem Zusammenhang eine Sonderbelastung von 6,5 Milliarden US-Dollar, wodurch der Konzern für das Gesamtjahr einen Rekordverlust von 11,9 Milliarden Dollar verkraften musste.
In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC warnte Boeing davor, dass die Belastung bei der 777X im Fall von Stornierungen, Produktionskürzungen und Problemen bei Flugtests noch höher ausfallen könnte.
Bei der 777X handelt es sich um die spritsparende Neuauflage des langjährigen Verkaufsschlagers Boeing 777. Maschinen dieser Grösse werden im Langstreckenverkehr eingesetzt, und dieses Geschäft wird sich nach Einschätzungen aus der Branche als Letztes von dem Einbruch infolge der Corona-Krise erholen. Boeing hat die Produktion der 777 und 777X sowie des kleineren Langstreckenjets 787 "Dreamliner" stark gekürzt. Gleiches tat sein europäischer Rivale Airbus bei seinen Modellen A350 und A330neo.
Die arabische Boeing-Grosskundin Emirates hat bereits angedeutet, einen weiteren Teil ihrer Bestellungen von der 777X auf den "Dreamliner" umzuschreiben. Üblicherweise können Airlines von Aufträgen zurücktreten, wenn sich die Auslieferung eines Flugzeugs mehr als ein Jahr verspätet. Dadurch hatte Boeing bereits Bestellungen über mehr als 1100 Exemplare seines Mittelstreckenjets 737 Max aus dem Bestand streichen müssen, nachdem das Unternehmen erst das Modell nach zwei tödlichen Abstürzen und einem behördlichen Startverbot mehr als anderthalb Jahre lang nicht ausliefern konnte.
(AWP)