Der Schlüsselzins wurde am Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 4,75 Prozent nach unten gesetzt. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten damit gerechnet. Die Entscheidung fiel jedoch in dem neunköpfigen geldpolitischen Ausschuss nicht einstimmig: Mit Catherine Mann votierte eines der Mitglieder dagegen. Das Pfund stieg nach dem Zinsentscheid um bis zu 0,68 Prozent auf 1,2967 Dollar. Die Währungshüter in London entschieden nur wenige Stunden vor der US-Notenbank Federal Reserve, die aus Sicht der Finanzmärkte ebenfalls die geldpolitischen Zügel lockern dürfte.

Die Bank of England (BoE) hatte Anfang August auf die abebbende Inflationswelle reagiert und die Zinswende vollzogen. Die Fed ging erst im September auf Senkungskurs. Im Begleittext zum Zinsentscheid ging die BoE nicht auf die US-Präsidentschaftswahlen ein, bei der sich der Republikaner und bekennende Anhänger von Strafzöllen, Donald Trump, durchgesetzt hatte. Vor der Presse sagte BoE-Chef Andrew Bailey allerdings, die Notenbank werde die Entwicklung «sehr genau beobachten». Trump hat einen allgemeinen Einfuhrzoll von zehn Prozent auf alle Waren aus dem Ausland angekündigt. Die Denkfabrik National Institute of Economic and Social Research schätzt, dass sich das britische Wirtschaftswachstum in diesem Fall halbieren könnte.

Bailey verwies darauf, dass Grossbritannien eine offene Volkswirtschaft sei - also auch der Aussenhandel eine gewichtige Rolle spiele. Eine «Fragmentierung der Weltwirtschaft» sei mit zahlreichen Risiken verbunden: «Warten wir ab, was passiert. Es ist zu früh, dies zu beurteilen.» Am Vortag hatte der Vizechef der Europäischen Zentralbank, Luis de Guindos, ähnliche Töne angeschlagen und vor den Gefahren eines sich aufschaukelnden Handelskonflikts gewarnt.

Die EZB hatte die Zinswende bereits im Juni eingeleitet und dürfte angesichts der abgeflauten Inflation im Euroraum im Dezember den vierten Senkungsschritt vollziehen. Auch in Grossbritannien könnte es auf der Zinstreppe weiter nach unten gehen: Wenn sich die Wirtschaft wie erwartet entwickele, sei es wahrscheinlich, dass die Zinsen weiter sinken würden, erklärte Bailey, mahnte jedoch zugleich zur Vorsicht: «Wir müssen sicherstellen, dass die Inflation in der Nähe der Zielvorgabe bleibt, deshalb können wir die Zinsen nicht zu schnell oder zu stark senken.» Ökonom Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen erwartet dennoch, dass die Zügel weiter gelockert werden: «Wir gehen davon aus, dass der Zinssenkungskurs noch nicht beendet ist.»

Augenmerk auch auf Pläne der Finanzministerin

Man werde nun vor allem den britischen Arbeitsmarkt und die US-Handelspolitik im Auge behalten müssen, meinte NordLB-Experte Tobias Basse: «Die jüngsten Erfolge im Kampf gegen die zu hohen Inflationsraten im Vereinigten Königreich dürften weitere Leitzinssenkungen zwar erlauben, die fiskalpolitischen Pläne der Regierung sprechen aber für eine grössere Vorsicht bei den zukünftigen Zinsschritten.» Die neue Finanzministerin Rachel Reeves hat in ihrem ersten Haushalt die grössten Steuererhöhungen seit drei Jahrzehnten angekündigt. Die frühere BoE-Ökonomin ebnete zugleich den Weg für milliardenschwere Sparmassnahmen und eine höhere Kreditaufnahme für Investitionen.

In Grossbritannien ist die Inflation im September auf ein Dreijahrestief von 1,7 Prozent gefallen. Nachdem die Teuerungsrate jahrelang weit über die Zielmarke der Notenbank von zwei Prozent hinausgeschossen war, ist nunmehr etwas Ruhe an der Inflationsfront eingekehrt. Die BoE rechnet damit, dass die Inflation bis zum Jahresende wahrscheinlich auf rund 2,5 Prozent steigen und bis Ende 2025 dann 2,7 Prozent erreichen wird. Demnach dürfte sie erst gegen Ende der drei Jahre umfassenden Projektion schrittweise unter das BoE-Ziel von zwei Prozent fallen.

(Reuters)