Wie von der Verfassung vorgeschrieben, legt der Präsident dabei Rechenschaft vor beiden Kammern des Kongresses ab. Hinzu kommen traditionell Mitglieder seines Kabinetts, des Obersten Gerichts und hochrangige Militärs. In diesem Jahr gilt die "State of the Union" ("SOTU") zudem als inoffizieller Beginn des Präsidialwahlkampfs für die Abstimmung im November 2024. Der heute 80-jährige Biden dürfte vor allem um Unterstützung seiner Partei der Demokraten werben, von denen einige allein wegen seines Alters Zweifel an einer weiteren Amtszeit hegen.

Auch wenn die jährliche Rede ursprünglich als Bericht des Staatsoberhaupts an die Legislative gedacht war - frühere Präsidenten reichten sie schriftlich ein - stellt sie im Zeitalter von Massenmedien eine der wichtigsten Möglichkeiten für einen US-Präsidenten dar, sich direkt an das Volk zu wenden. Im vergangenen Jahr verfolgten geschätzte 38,2 Millionen US-Bürger - mehr als ein Zehntel der Bevölkerung - die Rede live im Fernsehen. Für Biden bietet sich damit eine Gelegenheit, die öffentliche Meinung etwa zum Streit über die Staatsverschuldung, den Ukraine-Krieg und den jüngsten Konflikt mit China über einen mutmasslichen Spionageballon zu beeinflussen. Erwartet wird, dass er wirtschaftliche Erfolge nach der Corona-Pandemie für sich beanspruchen wird.

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr sieht sich der Demokrat allerdings mit einer deutlich veränderten politischen Landschaft in den USA konfrontiert. Seit der Kongresswahl halten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Sie sind damit in der Lage, Gesetze der Demokraten zu blockieren, die in den USA gleichermassen von beiden Kongress-Kammern verabschiedet werden müssen. Von grösserem Interesse als sonst dürfte damit die Erwiderung der Republikaner sein, die in diesem Jahr von der Gouverneurin des Bundesstaates Arkansas, Sarah Huckabee Sanders, vorgetragen wird. Sie war Pressesprecherin unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Der Republikaner will im kommenden Jahr ebenfalls erneut antreten. Damit könnte es 2024 wieder zu einem Duell zwischen Biden und Trump kommen.

(Reuters)