Biden nehme entsprechende Forderungen aus den Reihen seiner Demokraten ernst, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Ein Ausstieg sei nur noch eine Frage der Zeit. «Ich weiss mit Sicherheit, dass er tatsächlich in sich geht», sagte einer der Insider, der anonym bleiben wollte. «Er denkt sehr ernsthaft darüber nach.» Ein weiterer Insider bei den Demokraten sagte, der derzeit an Corona erkrankte Biden habe die Zeichen der Zeit erkannt: «Es fühlt sich so an, als wäre es eine Frage des ... Wann, nicht des Ob.»

Die «New York Times» berichtete am Donnerstag unter Berufung auf mehrere Personen aus Bidens Umfeld, dass der Präsident beginne, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass er die Wahl am 5. November möglicherweise nicht gewinnen kann und aus dem Rennen aussteigen muss. Bidens stellvertretender Wahlkampfleiter, Cedric Richmond, erklärte gegenüber dem Sender MSNBC, die Berichterstattung sei falsch. Der Präsident habe gesagt, er kandidiere. Quentin Fulks, ebenfalls stellvertretender Wahlkampfleiter, hatte sich zuvor ähnlich geäussert. Der Präsident sei nicht unentschlossen und habe seine Entscheidung getroffen, sagte er. Biden kandidiere. Die Wahlkampagne schreite voran.

Der Druck auf Biden war in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen. Zahlreiche hochrangige Demokraten stellten Bidens Kandidatur teilweise auch öffentlich in Zweifel. Zuletzt forderte der Abgeordnete Adam Schiff Bidens Rückzug. Auch Ex-Präsident Barack Obama, dessen Vize Biden war, steht einem Bericht der «Washington Post» zufolge nicht mehr vorbehaltlos hinter einer erneuten Präsidentschaftskandidatur Bidens. Obama habe in den vergangenen Tagen gegenüber Verbündeten geäussert, dass Bidens Chancen auf einen Wahlsieg stark gesunken seien und er der Meinung sei, dass Biden sich ernsthaft fragen sollte, ob die Kandidatur noch aufrecht erhalten werden sollte, berichtete die Zeitung unter Berufung auf mehrere Personen, die mit Obamas Überlegungen vertraut sind.

Die einflussreiche Demokratin Nancy Pelosi stützt nach Aussagen eines Mitarbeiters der US-Regierung ebenfalls die Rückzugsforderungen. Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses billige entsprechende Aufrufe, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Pelosi sei davon überzeugt, dass die öffentliche Meinung gegen Biden sei und er daran nichts ändern könne. Das Büro von Pelosi reagiert zunächst nicht auf Anfragen. Einem Medienbericht zufolge hat Pelosi Biden bereits auf seine aussichtslose Lage angesprochen. Sie habe auf Umfragen verwiesen, wonach er nicht gewinnen könne.

Biden hat sich wegen einer Corona-Erkrankung in sein Haus in Delaware zurückgezogen. Seinem Arzt zufolge hat der 81-Jährige milde Symptome. Nach seinem schwachen Auftritt bei einem TV-Duell gegen Donald Trump von den Republikanern hatten sich die Stimmen gemehrt, dass Biden trotz aller Erfahrung und Verdienste körperlich und geistig nicht mehr fit genug sein könnte für vier weitere Jahre im Weissen Haus.

(Reuters)