Die rund tausend Wohnungen des Projekts «Halske Sonnengärten» nahe der historischen Werkssiedlung Siemensstadt gehören zu einem Berliner Immobilienpaket, das die CBRE Group aus Dallas im November für 357 Millionen Euro erworben hat. Der Deal zeigt: Die Nachfrage nach Wohnungen scheint Preisstürze und höhere Finanzierungskosten in der Hauptstadt schneller überwunden zu haben als im Rest der Republik.

Während bundesweit die Preise für Wohnimmobilien nach wie vor fallen, haben anhaltender Zuzug und schleppender Neubau zu einer erheblichen Verknappung am Berliner Wohnungsmarkt geführt. Das wiederum lockt zahlungskräftige Investoren an, die auf immer weiter steigende Mieten hoffen.

Nach einem Rückgang infolge der Zinserhöhungen sind die Wohnungspreise in Berlin laut dem Online-Immobilienmakler Immowelt vier Monate in Folge gestiegen. Die Hauptstadt war die einzige deutsche Grossstadt, in der die Wohnkosten im letzten Quartal um mehr als 1 Prozent stiegen, während sie in Frankfurt um 2,6 Prozent und in München um 0,5 Prozent sanken.

Berlin als Hauptstadt der Mieter

«Das internationale Kapital schaut ganz stark nach Berlin», sagt Andreas Polter, Leiter des Berliner Wohninvestment-Teams des Immobilienverwalters JLL. Neben den Aussichten auf weitere Mietsteigerungen seien die für eine europäische Hauptstadt immer noch relativ niedrigen Preise und die Grösse des Mietwohnungsmarktes ausschlaggebend für die Attraktivität der Stadt. Berlin ist die Hauptstadt der Mieter, dort leben nur 15 Prozent der Einwohner in in den eigenen vier Wänden.

Eine ähnlich schnelle Erholung vom Zinsschock erleben die Immobilienpreise auch in anderen europäischen Metropolen, die unter einem erheblichen Angebotsmangel leiden. Stockholm stand einst im Zentrum der europäischen Immobilienkrise, aber seit sieben Monaten in Folge steigen die Preise in der schwedischen Hauptstadt wieder, wie Daten des Bloomberg City Trackers zeigen.

Sieben der elf von Bloomberg beobachteten Märkte befinden sich im Aufwärtstrend, wie aus den monatlichen Preisdaten verschiedener Anbieter hervorgeht. Bei einigen dieser Daten handelt es sich um Angebotspreise und Richtwerte, bei anderen um tatsächlich abgeschlossene Transaktionen. Im Jahresvergleich sind Athen, Madrid und Lissabon die Märkte mit den höchsten Preisanstiegen, während Paris und Wien hinterherhinken.

In Berlin sind die Preise im Jahresvergleich nach wie vor rückläufig und gingen im Januar, einem traditionell schwachen Monat, im Vergleich zum Vormonat leicht zurück.

Fehlender Wohnraum als Dauerkonflikt

Fehlender Wohnraum ist in Deutschland und in vielen anderen Industrieländern längst zum Dauerkonflikt geworden, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sorgt für immer grössere Frustrationen. Dass die Ampelkoalition ihr Versprechen, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, in dieser Wahlperiode wohl nicht mehr einhalten wird, befeuert den Groll vieler ohnehin unzufriedener Wähler. Mittlerweile liegen alle drei Koalitionsparteien in den Umfragen hinter der AfD.

«Die Zahlen im Neubau lassen Übles erwarten», sagt Aygül Özkan, Geschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschusses, dem Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft. «Bis 2025 könnten es 750.000, bis 2027 bis zu 830.000 Wohnungen sein, die fehlen.»

Berlin ist das Epizentrum der deutschen Wohnungskrise. Noch vor zwei Jahrzehnten verscherbelte die Stadt grosse Sozialwohnungensbestände, die heute ein Vielfaches wert sind, um ihren Schuldenberg abzutragen. Doch eine boomende Tech-Industrie und eine schleppende Bautätigkeit haben die «arm, aber sexy»-Ära der Stadt längst beendet.

Für Neuankömmlinge in Berlin ist die Suche nach bezahlbarem Wohnraum mittlerweile die grösste Hürde, sagt Niklas Almerood, Leiter des Relocation-Unternehmens IRC Relocation. «Es gibt einfach mehr Menschen, die nach Berlin ziehen wollen, als Wohnungen zur Verfügung stehen.»

Grosser Frust in Kreuzberg

Der Ärger über die Wohnungspolitik macht sich in der gesamten Stadt breit, aber besonders gross ist die Frustration in ehemaligen Arbeitervierteln wie Kreuzberg, die für Zugezogene zum trendigen Sehnsuchtsort geworden sind und wo viele Einheimische verdrängt wurden. 2021 stimmten die Berliner schliesslich in einem Volksentscheid dafür, Grossvermieter zu enteignen, um den Bestand an Sozialwohnungen aufzustocken. Das erfolgreiche Referendum war zum Teil auch eine Reaktion auf den zuvor gescheiterten Mietendeckel, ein Berliner Sonderweg zur Kappung von Mieterhöhungen.

Das Gesetz, das vom Bundesverfassungsgericht nach kurzer Zeit wieder gekippt wurde, verkehrte seine Wirkung im Mietmarkt allerdings geradezu. So ging laut einer Studie des Ifo-Instituts die Zahl der Mietanzeigen nach Einführung des Mietendeckels um bis zu 60 Prozent zurück. Der Einbruch des Angebots lässt erwarten, dass die Mieten weiter steigen, und mehr Mieter der Aufwärtsspirale zu entkommen versuchen, indem sie selbst zu Eigentümern werden, so der Immobilienmakler Savills.

«Da auch solvente Haushalte immer schwieriger eine passende Mietwohnung finden, weichen sie teilweise auf den Eigentumswohnungsmarkt aus», sagt Matti Schenk, Associate Director of Research bei Savills Deutschland. Diese Entwicklung führe dazu, dass sich auch die Kaufpreise langsam wieder erholen.

Mehr zugezogene Menschen als neue Wohnungen

Im Jahr 2022, als zum ungebrochenen Zustrom von Studenten und Tech-Arbeitern zusätzlich Tausende Ukrainer vor dem Einmarsch Russlands nach Berlin flohen, wuchs die Bevölkerung der Stadt um mehr als 80.000 Menschen. Im selben Jahr wurden dort allerdings nur etwas mehr als 17.000 neue Wohnungen gebaut. Im vergangenen Jahrzehnt überstieg der Bevölkerungszuwachs in Berlin die Zahl der Neubauten fast in jedem Jahr.

Nach wie vor schwächelnde Preise und höhere Finanzierungskosten sind eine günstige Gelegenheit für zahlungskräftige Investoren, Wohnsiedlungen wie Halske Sonnengärten zu einem guten Preis einzukaufen. Das Projekt wurde von einer Sparte von Vonovia, Deutschlands grösstem Vermieter, verkauft. Viele Immobilienunternehmen, die sich in der Ära des billigen Geldes hoch verschuldet haben, müssen jetzt Portfolios verkaufen, um sich zu refinanzieren.

Neubauten sind dabei leichter zu vermarkten als ältere Wohnanlagen. Die Kaufpreise für Bestandswohnungen, in denen oft Mieter mit günstigen Altverträgen leben und die massive Sanierungskosten verursachen können, sind laut einer Umfrage der Immobilienfinanzierungsplattform Europace auch im Januar deutschlandweit gesunken. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die Preise für Neubauten einen leichten Anstieg, ein Zeichen dafür, dass die Kluft zwischen den beiden Wohnsegmenten weiter auseinandergeht.

Auch die angeschlagene Adler Group musste erst Ende letzten Jahres ein Portfolio von Neubauwohnungen in Berlin verkaufen, um die eigene Bilanz aufzubessern, und ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil über ihren 6 Milliarden Euro schweren Restrukturierungsplan könnte die weiteren Verkaufspläne beschleunigen.

Berliner Wohnungen werden dabei wohl weiterhin ganz oben auf der Wunschliste von Investoren stehen, sagt Andreas Polter von JLL. «Das Interesse ist ungebrochen gross, trotz angeblicher Dysfunktionalität, Enteignungsdebatten und diverser Eingriffe in den Mietmarkt. Aus internationaler Sicht gehört Berlin nach wie vor zu den Top-Märkten.»

(Bloomberg)