Ein Dreivierteljahr nach seinem Amtsantritt muss Bayer-Chef Bill Anderson sich erklären. Mit grossen Vorschusslorbeeren übernahm der Amerikaner das Ruder von seinem glücklosen Vorgänger Werner Baumann, der viel Vertrauen mit der Monsanto-Übernahme verspielte und damit Bayer einen schier nicht enden wollenden Rechtsstreit wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat ins Haus holte. Anderson muss den Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern nun aus der vermutlich tiefsten Krise seit seiner Gründung vor mehr als 160 Jahren führen. Mit Spannung blicken Investoren auf die Jahresbilanz und Andersons ersten Kapitalmarkttag am 5. März, bei dem er seine Pläne zur Zukunft von Bayer vorstellen will. Doch der grosse Knall dürfte ausbleiben.

«Wenn ich mir jedes Geschäft für sich angucke, dann fehlt mir schlicht die Fantasie, zu erkennen, weshalb eine Aufspaltung zum jetzigen Zeitpunkt Werte erlösen würde, die Bayer nennenswert helfen würden», sagt ein Top-10-Investor der Nachrichtenagentur Reuters. «Trotzdem erwartet der Kapitalmarkt, dass diese Optionen etwa durch einen Börsengang oder den Spin-Off einzelner Bereiche weiterhin auf dem Tisch sind.» Für den Markt habe derzeit die Schuldenreduzierung höchste Priorität, gefolgt von einer erfolgreichen Umstrukturierung inklusive des angekündigten Jobabbaus und einer Steigerung der Profitabilität. Daneben müsse Anderson eine Zukunftsperspektive entwickeln.

Reuters hatte Mitte Januar von Insidern erfahren, dass Anderson in diesem Jahr keine grossen strukturellen Veränderungen angehen wird. Er wolle sich zunächst auf die Einführung eines neuen, vereinfachten Organisationsmodells konzentrieren, das mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sei. Gerade erst kündigte er an, die Dividende wegen der hohen Schulden von zuletzt knapp 39 Milliarden Euro und der angespannten Lage beim Free Cash Flow für die nächsten drei Jahre auf ein Minimum zusammenzustreichen. Nach Einschätzung von Baader-Analyst Martin Schnee reicht das aber nicht aus. Um sein Investment-Grade-Rating zu behalten, könnte Bayer deshalb noch eine Kapitalerhöhung angehen. «Eine externe Finanzspritze wird keine leichte Aufgabe sein, ist aber machbar.»

Einer gleichzeitigen Aufspaltung des Konzerns in drei Teile hatte Anderson zur Quartalsbilanz im November eine Absage erteilt. Neben der Beibehaltung von drei Divisionen sah er eine Trennung vom Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Consumer Health) oder der Agrarsparte als die wesentlichen möglichen Optionen. Die Analysten von Barclays halten es indes für am wahrscheinlichsten, dass Bayer sein Consumer-Health-Geschäft zu Geld macht: «Obwohl es relativ klein ist, hat es sich den letzten Jahren gut entwickelt.»

Das Pharmageschäft musste zuletzt einen herben Rückschlag verdauen, da der Gerinnungshemmer Asundexian in einer entscheidenden klinischen Studie floppte. Doch für Bayer ist Nachschub aus der Pharma-Pipeline essenziell, da die Patente seiner Kassenschlager Mitte des Jahrzehnts auslaufen.

Zuletzt hatte Bayer eine Reihe Glyphosat-Prozesse verloren und war zudem von einer Jury zu einer Rekordstrafe von 2,25 Milliarden Dollar verurteilt worden. Das schürt Sorgen, dass die Rückstellungen von zuletzt 6,4 Milliarden Euro nicht ausreichen und womöglich erhöht werden müssen. Eine Lösung für die Klagewelle ist indes nicht in Sicht.

Anderson habe bei Bayer einen schwierigen Start gehabt, obwohl er nicht persönlich für die negativen Ereignisse der vergangenen Monate verantwortlich gemacht werden könne, sagt Fondsmanager Markus Manns von der Union Investment. «Der Kapitalmarkttag wird seine Bewährungsprobe.» 

(Reuters)