Der Hype um Medikamente zur Gewichtsreduktion und künstliche Intelligenz, gefolgt von einer Marktrallye gegen Ende des Jahres, machte das Jahr 2023 für europäische Aktien zu einem unvergesslichen Erlebnis. Für Investoren in erneuerbare Energien und einige grosse Luxusunternehmen war es eher ein Jahr zum Vergessen.
"Gewinner – und Verlierer – spiegeln eher globale Trends als lokale makroökonomische Ereignisse wider", sagte Lewis Grant, leitender Portfoliomanager für globale Aktien bei Federated Hermes. Der Hype um Medikamente gegen Fettleibigkeit, der Novo Nordisk beflügelte, war ein weltweites Phänomen, während die Bewegungen bei Luxusaktien von Sorgen um die chinesische Wirtschaft angetrieben wurden.
Lewis sieht Gründe für eine Fortsetzung der Rallye bis ins Jahr 2024, warnte jedoch davor, dass die Risikobereitschaft "fragil bleibt". Eine Meinung, die auch Emma Wall, Leiterin der Anlageanalyse und Forschung bei Hargreaves Lansdown, teilt. "Jede Konjunkturschwäche wird Technologie- und Wachstumsaktien am härtesten treffen, und heisses Geld wird in risikoärmere Vermögenswerte fliessen", sagte Wall.
Hier ein Blick auf einige der grössten Gewinner und Verlierer des Jahres 2023:
1) Rolls-Royce verdreifacht den Aktienkurs
Der erhebliche Gegenwind, mit dem der Triebwerkshersteller Rolls-Royce im Jahr 2022 konfrontiert war, wurde in diesem Jahr zu Rückenwind und sorgte für einen Zuwachs von 220 Prozent. Die Bestellungen boomten, da sich die Erholung des Flugverkehrs nach der Pandemie als stärker als erwartet erwies, während eine Turnaround-Strategie und das Ziel eines höheren Cashflows das Vertrauen in das Unternehmen stärkten. Im nächsten Jahr werden die Anleger gespannt sein, ob Rolls-Royce sein Ziel, wieder in den Investment-Grade-Status zurückzukehren, erreichen kann.
2) KI befeuert Chip-Equipment-Aktien
Die Aktien von BE Semiconductor Industries und ASM International haben sich mehr als verdoppelt, wobei beide als Gewinner des KI-Trends und des Wettlaufs um die Produktion kleinerer, schnellerer Chips gelten. ASML, eines der grössten Unternehmen Europas, hatte ebenfalls ein gutes Jahr – obwohl es nun vor der Herausforderung steht, einen sich ausweitenden Handelskrieg zwischen den USA und China zu meistern.
3) Novo Nordisk wird Europas grösstes Unternehmen
Ozempic und Wegovy von Novo wurden in diesem Jahr zum Synonym für den Hype um Medikamente zur Gewichtsabnahme. Einige Analysten prognostizierten, dass der Markt bis 2030 ein Volumen von 100 Milliarden US-Dollar erreichen könnte. Ein Kursanstieg von 49 Prozent machte das dänische Unternehmen an LVMH vorbei gemessen am Marktwert zum grösste europäischen Unternehmen. Von hier aus könnte es jedoch schwieriger werden, da die Konkurrenz durch andere Pharmaunternehmen zunimmt und die Bewertung von einigen mittlerweile als überzogen angesehen wird.
4) Detailhandelsaktien erholen sich
Nach einem düsteren Jahr 2022 erholten sich Einzelhandelsaktien im Jahr 2023 mit voller Wucht. Der Sektor legte um 35 Prozent zu und ist damit in diesem Jahr die leistungsstärkste Untergruppe, wobei die Zuwächse von Hennes & Mauritz (kurz: H+M) und Zara-Eigentümer Inditex angeführt werden. Den Einzelhändlern kam die aufgestaute Nachfrage und die nachlassende Inflation zugute, allerdings könnten sich die Verlangsamung des globalen Wachstums und die verzögerten Auswirkungen von Zinserhöhungen im nächsten Jahr auf die Konsumentenausgaben auswirken.
5) Korrektur bei erneuerbaren Energien
Aktien grüner Energie gaben im Jahr 2023 nach, da höhere Zinssätze die Finanzierungskosten für Wind- und Solarprojekte in die Höhe trieben, während die steigenden Materialkosten für die Herstellung von Turbinen die Probleme noch verstärkten. Orsted, das aufgrund aufgegebener Windprojekte grosse Wertminderungen hinnehmen musste, und Siemens Energy, das staatliche Hilfe zur Stützung seiner Finanzen suchte, brachen beide um etwa ein Drittel ein. Dennoch schnitt Vestas Wind Systems besser ab – mit einem jüngsten Ausblickanstieg, der der Aktie in diesem Jahr zu einem Plus von 6,4 Prozent verhalf.
6) Luxus-Rallye gerät ins Stocken
Eine scheinbar unaufhaltsame Rallye für Luxusaktien geriet im Jahr 2023 ins Stocken. Chinas Wirtschaft geriet ins Stottern, und höhere Zinsen sowie Inflation setzten die Verbraucher überall unter Druck. Innerhalb des Sektors gab es jedoch eine grosse Spanne: Gucci-Eigentümer Kering und Trenchcoat-Hersteller Burberry gaben zweistellige Verluste ab, Richemont verlor 4 Prozent. LVMH beendete das Jahr jedoch mit einem Plus von 7,5 Prozent. Die Ergebnisse des ersten Quartals werden genau beobachtet, da die Anleger einen schwachen Start ins Jahr 2024 erwarten, bevor es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Erholung kommt.
7) Die schlechte Woche von Bayer
Ein Rückgang um 31 Prozent machte Bayer in diesem Jahr zu einer der Aktien mit der schlechtesten Wertentwicklung in Europa, wobei ein grosser Teil der Verluste in einer Woche im November anfiel. Rund 7,6 Milliarden Euro an Wert wurden innerhalb eines Tages nach einem schockierenden Urteil der Jury im Rechtsstreit um das Unkrautvernichtungsmittel Roundup vernichtet, verbunden mit der Nachricht, dass Bayer Studien für ein wichtiges Medikament stoppt. Das nächste Jahr ist schwer vorherzusagen. Bloomberg berichtete, dass das Unternehmen mehrere Bankerteams engagiert hat, um verschiedene Trennungsszenarien durchzuspielen.
8) Schwedens SBB sackt ab
Der schwedische Vermieter Samhallsbyggnadsbolaget i Norden, kurz SBB, fiel um 70 Prozent und verlor seinen Platz im europäischen Referenzindex. Während viele andere europäische Immobilienfirmen in der Hoffnung, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben, Ende des Jahres Aufwärtsbewegungen verzeichneten, sind die Anleger immer noch besorgt über schwedische Immobilienfirmen. Sie müssen im Jahr 2024 Anleihen und Hybridschulden im Wert von rund 12 Milliarden US-Dollar refinanzieren oder zurückzahlen.
(Bloomberg)
2 Kommentare
Oben ist wohl Bayers Xarelto gemeint, dessen Patentschutz demnächst ausläuft. Dessen Nachfolger hatte keine entscheidenden Vorteile. Lustigerweise wollte Bayer für gewisse Indikationen auch Aspirin durch Xarelto ersetzen, was nicht gelang. Dann die Monsanto-Misere…
Das Highlight des Jahres 2023 war natürlich der spektakuläre Untergang der Skandalbank Credit Suisse.
Noch nie habe ich mit Shorts soviel Geld gemacht wie mit dem Credit Suisse Crash.
Mit Angst und Panik lässt sich immer noch viel Geld verdienen :-)