Thyssenkrupp und Salzgitter etwa haben Abnehmer präsentiert, die für CO2-neutral produzierte Bleche einen Aufschlag zahlen, darunter grosse Namen wie Mercedes-Benz, Volkswagen, BMW und Ford.
Das Problem ist nur, dass aktuell immer noch mit fossilen Brennstoffen geschmolzen wird — und unklar ist, wie schnell sich das ändern kann. Ohne eine gross angelegte Versorgung mit grünem Wasserstoff wird ein Grossteil des als grün angepriesenen Stahls vorerst mit Erdgas hergestellt.
Bislang verbrennt die europäische Stahlindustrie noch immer Milliarden Tonnen Kohle und verursacht rund 7% der weltweiten Kohlendioxidemissionen. Die Produktion grünen Wasserstoffs wird noch auf Jahre hinaus weit hinter der Nachfrage zurückbleiben. Die Automobilhersteller räumen daher ein, dass der Übergang zur grünen Stahl nur allmählich erfolgen wird.
Die Verwendung von Erdgas sei nur ein erster Schritt zur Umstellung des Stahlsektors, betont Oliver Sartor vom Think Tank Agora Industry. «Mit Erdgas hergestellter Stahl ist kein klimaneutraler Stahl, und darauf kommt es letztlich an.» Es müsse ein Kennzeichnungssystem geben, das die Emissionsleistung der verschiedenen Produkte aufzeigt.
Um Greenwashing zu verhindern, schlägt die Wirtschaftsvereinigung Stahl ein System von Gütesiegeln vor, nach dem nur mit 100% grünem Wasserstoff hergestellter Primärstahl als «near zero» bezeichnet werden darf. Nach Angaben von Thyssenkrupp soll es verschiedene Stufen von Stahl geben, je nachdem, wie viel CO2 im Herstellungsprozess freigesetzt wird.
Salzgitter hat vor zwei Jahren erstmals kohlendioxidarm hergestellten Stahl an Mercedes-Benz geliefert. 2026 will der Konzern die Produktion auf 1,9 Millionen Tonnen ausweiten. Die Kunden seien bereit, für solchen Stahl pro Tonne einen dreistelligen Euro-Betrag mehr zu zahlen als für Material aus konventionellen Hochöfen, sagt Salzgitter-Chef Gunnar Groebler.
Die Menschen seien bereit, dafür einen Aufschlag zu zahlen, weil sie verstanden hätten, dass sie auch mit grünem Stahl Vorreiter sein können, so Groebler.
Die gasbetriebene Direktreduktionsanlage des Konzerns soll die Kohlendioxidemissionen im Vergleich zur Kohlenutzung um 60% senken. Bis 2033 soll der Stahl dank Wasserstoff nahezu emissionsfrei sein. VW und BMW haben sich eigenen Angaben zufolge für die Zukunft bereits Abnahmemengen gesichert.
Er schliesse Verträge ab, bei denen er den Kunden sehr genau sagen kann, wie der CO2-Fussabdruck des Stahls aussehen wird, sagte Groebler.
Mercedes-Benz wollte sich nicht zu der Prämie äussern, die das Unternehmen bereit ist, für grünen Stahl zu zahlen. Der Automobilhersteller arbeitet an der Verwendung von Stahl, der mit Wasserstoff anstelle von Gas oder Kokskohle hergestellt wird. Er hat in das Startup H2 Green Steel investiert und eine Partnerschaft mit der schwedischen SSAB AB geschlossen.
BMW hat ebenfalls Vereinbarungen mit Herstellern von kohlenstoffdiodxidarm produziertem Stahl getroffen. Der Konzern ermutigt nach eigenen Angaben seine Zulieferer, von der kohlebasierten Produktion auf die Verwendung von Wasserstoff umzustellen.
Ford verpflichtet sich beim Einkauf von Primärstahl bis 2030 zu einem Anteil von mindestens 10% von Material, das mit nahezu null CO2-Emissionen hergestellt wird. Zum Preisaufschlag, der dabei gezahlt würde, wollte sich das Unternehmen nicht äussern.
Salzgitter-Chef Groebler erklärte, für den Abschluss von Wasserstoff-Kaufverträgen sei es noch zu früh. Die meisten Projekte befänden sich noch in einem frühen Stadium und die unterstützende Infrastruktur entstehe erst auf dem Reissbrett.
Die Bundesrepublik hat in diesem Jahr Pläne vorgestellt, die Industriezentren in der Nähe des Rheins, im Süden und Osten des Landes mit Wasserstoffpipelines zu verbinden. Bis 2030 sollen die Kohlendioxidemissionen gegenüber 1990 um zwei Drittel gesenkt werden. Bis 2045 sollen sie den Netto-Nullpunkt erreichen.
(Bloomberg)