Die Bedingungen für die Stabilität des Finanzsystems hätten sich verbessert, erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Donnerstag im halbjährigen Finanzstabilitätsbericht der Euro-Notenbank. «Die Hauptbotschaft, die wir vermitteln möchten, ist, dass die Verwundbarkeiten für das Finanzsystem im Euroraum in den jüngsten Monaten abgenommen haben,» sagte er zu Journalisten bei der Vorstellung des Berichts. Das Rezessionsrisiko sei inzwischen viel geringer als noch vor sechs Monaten. Parallel dazu sei die Inflation zurückgegangen.

Dennoch bleibt aus Sicht der EZB der Ausblick für die Finanzstabilität unter anderem wegen der erhöhten geopolitischen Spannungen fragil. «Wir haben geopolitische Risiken, die die Aussichten eintrüben», sagte de Guindos. Die Wachstumsraten im Euroraum seien zudem weiterhin niedrig. In einem solchen Umfeld seien Börsen verstärkt anfällig für konjunkturelle und finanzielle Schocks. Erwartungen, dass die Geldpolitik gelockert werde, hätten zwar für mehr Optimismus bei Investoren gesorgt. Die Stimmung könne aber schnell umkippen. Geopolitische Spannungen könnten Börsenturbulenzen auslösen. Schattenbanken mit anfälliger Liquiditätslage könnten solche Reaktionen dann sogar noch verstärken.

Die gestiegenen Finanzierungskosten stellten zudem die Widerstandsfähigkeit anfälliger Haushalte, Unternehmen und Regierungen auf die Probe. Die EZB hatte im Kampf gegen die hochgeschossene Inflation zehn Mal in Serie die Zinsen angehoben. Der am Finanzmarkt massgebliche Einlagensatz liegt bereits seit September 2023 auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Angesichts wieder zurückgegangener Teuerungsraten steuert die Zentralbank inzwischen aber auf eine erste Zinssenkung zu.

Sorgenkind Immobilienmärkte

Ein Hauptsorgenfaktor für die Währungshüter ist der Einbruch des Gewerbeimmobilienmarktes. «Die Aussichten für den Büroraum-Markt sind besonders düster,» merkte de Guindos an. Insgesamt sei bei Gewerbeimmobilien mit weiteren Preisrückgängen zu rechnen. «Wir glauben, dass die Preisanpassung über die Zeit anhalten wird, aber nicht mit dergleichen Geschwindigkeit, die wir in den vergangenen zwei Jahren gesehen haben.» Allein im vierten Quartal 2023 waren dem Bericht zufolge die Preise binnen Jahresfrist um 8,7 Prozent gefallen. Bei Wohnimmobilien seien dagegen einige Anzeichen für eine Stabilisierung zu sehen.

Die Banken zeigen sich aus Sicht der EZB in diesem Umfeld weiter widerstandsfähig. Sie seien dank starker Liquiditäts- und Kapitalausstattung gut aufgestellt, um Risiken zu meistern. Ihr Engagement im Gewerbeimmobiliensektor sei ausserdem ziemlich begrenzt. De Guindos zufolge liegt es nur bei etwa fünf Prozent ihres Kreditportfolios. Einige Banken könnten aber wegen ihrer speziellen Geschäftsmodelle mehr betroffen sein, warnte er.

Die niedrigen Börsenkurse der Finanzinstitute legten dem Bericht zufolge nahe, dass Anleger besorgt seien hinsichtlich der Beständigkeit der Banken-Gewinne. Die EZB erwartet, dass sich deren Ergebnisse in den nächsten zwei Jahren im Vergleich zu den jüngsten Höchstständen abschwächen werden. Die hohen Zinsen im Euroraum hatten den Finanzhäusern zuletzt kräftige Gewinne in die Kassen gespült. Experten gehen davon aus, dass dieser Rückenwind mit der anstehenen Zinswende nachlassen wird.

(Reuters)