Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hat die Möglichkeit einer früheren geldpolitischen Lockerung durch die Europäische Zentralbank in den Raum gestellt und seinen Ratskollegen damit den Fehdehandschuh hingeworfen. Im Interview mit dem Sonntagsblatt La Tribune Dimanche sagte Villeroy, dass es in diesem Jahr Zinssenkungen geben werde, und fügte hinzu: “Was das genaue Datum angeht, ist nichts ausgeschlossen, und bei unseren nächsten Sitzungen wird alles offen sein.”

Die Ausführungen verdeutlichen die sich abzeichnenden Meinungsverschiedenheiten unter den Währungshütern. Vergangene Woche hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärt, es wäre “verfrüht, über Zinssenkungen zu diskutieren”.

Das niederländische Ratsmitglied Klaas Knot indessen besteht darauf, dass die EZB erst mit der Senkung der Zinsen beginnen kann, wenn sie eine Trendwende bei den Löhnen feststellt. Damit wäre der Juni die früheste Gelegenheit für eine Lockerung der Geldpolitik. Knot bekräftigte die Bedeutung der Daten zur Entwicklung von Löhnen und Gehältern am Sonntag in einem Fernsehinterview.

Diese Sicht vertreten auch EZB-Chefökonom Philip Lane, Estlands Notenbankchef Madis Müller und Bostjan Vasle aus Slowenien. Lane wies in diesem Monat darauf hin, dass “der vollständigste Datensatz” in den Zahlen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von Eurostat bestehe, die erst Ende April verfügbar sein werden — und damit nach der EZB-Sitzung zu Beginn des Monats. Freilich gebe es auch “andere Daten, die wir uns jede Woche ansehen werden”.

EZB-Währungshüter suchen Öffentlichkeit

Der österreichische Gouverneur Robert Holzmann, der im EZB-Rat als ausgeprägter Falke gilt, gab zu bedenken, dass es in diesem Jahr womöglich überhaupt keine Zinssenkungen geben werde. Martins Kazaks aus Lettland und der Kroate Boris Vujčić warnten am Freitag im Gespräch mit Bloomberg TV vor einer zu frühen Zinssenkung.

Villeroy betonte nun aber, dass zu langes Warten ebenfalls ein Problem sein könnte. “Wir müssen zwei Risiken vermeiden, die sich die Waage halten: zu früh zu senken und das Ziel zu verfehlen, aber auch zu spät zu handeln und die Aktivität zu sehr zu verlangsamen”, so der französische EZB-Rat.

Portugals Mario Centeno sagte, dass ein Schritt vor Mai erfolgen könnte. Litauens Notenbankchef Gediminas Šimkus zeigt sich am Freitag offen für eine Zinssenkung im April. Die bis
dahin eintreffenden Daten seien zu prüfen. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt im April inzwischen mit fast 90 Prozent eingepreist. Für das Gesamtjahr wird eine Senkung der Leitzinsen um 146 Basispunkte erwartet.

In dieser Woche wird ein halbes Dutzend Währungshüter das Wort ergreifen: EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Montag, Bundesbankpräsident Joachim Nagel, Lane, Vujcic und Vasle am Dienstag, und Centeno am Donnerstag sowie auch am Freitag und Samstag. Lane äussert sich ebenfalls am Donnerstag, knapp zwei Stunden nachdem die Inflationsdaten für die Eurozone einen Rückgang der Teuerung auf 2,7 Prozent belegt haben dürften.

(Bloomberg)