Mit dem Startschuss im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner in den USA rückt der US-Wahlkampf an den Börsen vermehrt in den Fokus, obwohl das Hauptaugenmerk der Finanzmärkte vor allem darauf liegt, wann die US-Notenbank in diesem Jahr ihren angekündigten Kurswechsel vollzieht und die Leitzinsen senkt.

Ein möglicherweise enger Kampf um die Präsidentschaft, eine tiefe Spaltung der Wählerschaft und konkrete Wahlversprechen könnten jedoch für unerwartete Richtungswechsel und Ausschläge bei den Aktienkursen sorgen. «Die Wahl bringt eine zusätzliche Ebene der Unsicherheit mit sich», fasst Irene Tunkel, Strategin bei BCA Research, die Aussichten für die US-Börsen 2024 zusammen.

Bei der Vorwahl im Bundesstaat Iowa hat Donald Trump seine Kontrahenten mit grossem Vorsprung auf die Plätze verwiesen. Ungeachtet mehrerer Gerichtsprozesse untermauerte der Ex-Präsident damit seinen Anspruch, für die Republikaner im November in die eigentliche Präsidentschaftswahl zu ziehen.

«An den Börsen wird das niemanden überraschen», sagt Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. Marktteilnehmer rechneten fest mit einer Wiederauflage des Duells zwischen Trump und Amtsinhaber Joe Biden. «Im späteren Jahresverlauf wird der Wahlkampf zwischen Joe Biden und Donald Trump die Börsen allerdings noch ordentlich beeinflussen und möglicherweise auch ordentlich durchrütteln.»

Überdurchschnittliche Kurssteigerungen

Die Vergangenheit zeigt, dass ein US-Präsident, der wie Biden in diesem Jahr eine Wiederwahl anstrebt, mit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung von US-Aktien einhergeht. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe der S&P 500 alle 14 Mal in den Jahren zugelegt, in denen ein Präsident die Wiederwahl angestrebt habe, erläutert Sam Stovall, Stratege bei CFRA. Und zwar unabhängig davon, wer als Sieger aus der Wahl hervorging.

Mit einer durchschnittlichen Rendite von 15,5 Prozent habe der Index in Wahljahren die durchschnittliche jährliche Rendite von 12,8 Prozent übertroffen. Insgesamt hat der S&P 500 laut RBC Capital Markets seit 1928 in den Jahren der Präsidentschaftswahlen durchschnittlich etwa 7,5 Prozent zugelegt.

Saisonale Muster in Wahljahren deuten jedoch darauf hin, dass die Entwicklung nicht immer gleichmässig verläuft. «Die ersten drei Monate eines Wahljahres verlaufen tendenziell unruhig für Aktien, wobei der S&P 500 im Allgemeinen stagniert», erläutert Keith Lerner, Investment-Experte bei Truist Advisory Services. Auch die drei Monate vor dem Wahltag Anfang November seien tendenziell volatil, sagte Lerner. Die Erfahrung liefere einen Grund, auf einen Rückschlag zu Beginn des Jahres gefasst zu sein, ergänzt Lori Calvasina, Aktienstrategin bei RBC.

Kursschwankungen in einzelnen Branchen

In diesem Jahr werden die Anleger insbesondere die Steuer- und Ausgabenpolitik im Auge behalten. Während seiner Präsidentschaft erliess Trump Steuersenkungen, die 2025 auslaufen sollen. Die Republikaner würden voraussichtlich versuchen, dies zu verhindern, schätzen die Experten der Denkfabrik Oxford Economics die Stimmungslage ein.

Von den Demokraten und Biden werde erwartet, dass sie Steuererhöhungen für Unternehmen und Reiche vornehmen und gleichzeitig Ausgaben für den Ausbau der sozialen Infrastruktur wie etwa Investitionen in die Kinderbetreuung tätigten. Ein wirtschaftlicher Abschwung in diesem Jahr würde wahrscheinlich die Aufmerksamkeit der Märkte auf die Wahlen erhöhen, meint Matthew Miskin, Stratege bei John Hancock Investment Management.

Im Laufe des Wahlkampfes könnte es in einzelnen Branchen zu starken Kursschwankungen kommen, je nach dem, welche konkreten politischen Vorschläge die Kandidaten etwa im Zusammenhang mit Gesundheitskosten, Verteidigungsausgaben oder Energievorschriften machen. Bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 zogen mit Bidens Wahlaussichten Solaraktien an, weil Investoren Rückenwind für den Sektor durch die Förderung nachhaltiger Energien erwarteten. Trumps Sieg im Jahr 2016 trieb die Nachfrage nach Aktien in einer ganzen Reihe von Branchen an, weil die Märkte eine lockerere Finanzpolitik erwarteten.

Allerdings könnte ein gespaltener US-Kongresses nach der Wahl beiden Kandidaten bei der Umsetzung ihrer politischen Agenda Stolpersteine in den Weg legen und damit politische Änderungen einschränken. Auch wenn Wahlen zu Schwankungen an den Börsen führen können, sei das wichtigste Thema für die Märkte doch, an welcher Stelle im Konjunkturzyklus sich die Wirtschaft befinde, sagte Jack Janasiewicz, Portfoliomanager bei Natixis Investment Managers Solutions. 

(Reuters)