Die Erholung der europäischen Aktien steht vor einer grossen Herausforderung, da der Leitindex im Juni, wie üblich, voraussichtlich zurückgehen wird. In den letzten zwei Jahrzehnten ist der Stoxx Europe 600 Index im Durchschnitt um mehr als 1 Prozent gesunken, wie Daten von Bloomberg zeigen. Der Index befindet sich bereits auf einem schwachen Niveau, nachdem er gerade ein dreiwöchiges Tief erreicht hat. Die Unsicherheit über die Zinssenkungen der Federal Reserve, die die erwartete Senkung durch die EZB in den Schatten stellen, hat zu diesem Rückgang beigetragen.

Kursentwicklung des Stoxx Europe 600.

Angesichts schwächerer technischer Indikatoren und einer bereits hohen Marktpositionierung gibt es "Signale, dass es jederzeit zu einer Korrektur kommen kann", sagt Marcus Poppe, Co-Leiter für europäische Aktien bei der DWS Group.

Allerdings gibt es auch viele Gründe, optimistisch zu bleiben, sagt Poppe. Die Aussichten für Unternehmensgewinne und die Wirtschaft sind stabil. Solange sich an diesem fundamentalen Bild nichts ändert, sollte alles in Ordnung sein. Andere stimmen zu und sind der Meinung, dass die Region davon profitieren wird, wenn die EZB die Zinssätze schneller als die Federal Reserve senkt.

Die Strategen der UBS stellen wiederum fest, dass ihre asiatischen Kunden weiterhin nur wenige europäische Aktien halten und dass die historisch niedrigen Bewertungen noch attraktiver werden, wenn sich die Wirtschaft verbessert. Das regionale Aktienstrategieteam der Bank hat eines der optimistischsten Jahresendziele für den Stoxx 600, nachdem es letzte Woche um 20 Prozent angehoben wurde. Auch die Analysten von HSBC haben ihre Einschätzung für Aktien der Eurozone auf "Übergewichten" erhöht, da die Fundamentaldaten der Unternehmen, die Anlegerstimmung und die Marktpositionierung für eine Rallye sprechen.

Anstieg der Fondsströme positiv zu werten

Ein Anstieg der Fondsströme deutet auf langfristig positive Aussichten hin. Laut Karim Chedid, Leiter der EMEA-Anlagestrategie von iShares bei BlackRock, sind in diesem Jahr bisher rund 10,2 Milliarden Dollar in europäische börsengehandelte Fonds geflossen, verglichen mit 7,6 Milliarden Dollar im gesamten Jahr 2023. Chedid betont, dass es in Europa selektive Möglichkeiten gibt und verweist auf Bergbau- und Industriewerte als wahrscheinliche Gewinner einer Verbesserung des Fertigungssektors.

Die Strategen von Goldman Sachs sehen ebenfalls Raum für weitere Mittelzuflüsse, da Europa in den letzten beiden Jahren die unbeliebteste Region weltweit war, jedoch in den letzten Wochen aufgrund von Inlandsinvestoren und internationaler Nachfrage wieder an Attraktivität gewinnt. Sie erwarten eine zunehmende Beteiligung privater Haushalte angesichts der Zinssenkungen und der verbesserten Wachstumsaussichten.

Auch die Fondsmanager sind im Allgemeinen optimistisch. Laut einer Umfrage der Bank of America glauben etwa 78 Prozent der regionalen Portfoliomanager an weitere kurzfristige Kursgewinne bei europäischen Aktien, im Vergleich zu 52 Prozent im April. Dennoch steigen die Risiken, da der Stoxx 600 Index den sechsten Monat in Folge Gewinne verzeichnet. Das Momentum des Index, gemessen am MACD-Indikator, schwächt sich laut Bloomberg-Daten ab.

James Athey, Portfoliomanager bei Marlborough Investment Management, glaubt, dass das Sprichwort "Sell in May and go away" wahrscheinlich weiterhin seine Gültigkeit hat, da die europäischen Aktienkurse seit Oktober stark gestiegen sind. Er ist der Ansicht, dass die Performance grösstenteils auf unrealistischen Hoffnungen auf eine sinnvolle Rotation hin zu Value-Aktien zurückzuführen ist, trotz struktureller und zyklischer Herausforderungen.

(Bloomberg/cash)