Um 100 Tage Frist hatte Ulrich Körner, der neue Chef der Credit Suisse, die Investoren gebeten, um eine neue Strategie für das kriselnde Geldhaus auszuarbeiten. Doch den Investoren scheint zunehmend die Geduld auszugehen.
Die Aktie der Credit Suisse fällt am Montag bis 11,5 Prozent auf ein neues Rekordtief von 3,52 Franken. Seit Anfang Jahr haben sie somit nun mehr als 60 Prozent ihres Wertes verloren.
Auch am Kreditmarkt ist das Vertrauen in die Bank am Boden: Kreditversicherer verlangen so viel wie nie zuvor, um Forderungen an die Bank bei Zahlungsausfall zu garantieren. Fünfjährige Credit Default Swaps, die als ein Richtwert für die Marktmeinung zur Kreditwürdigkeit gelten, steigen am Montag für die Credit Suisse auf bis zu 293 Basispunkte, das ist ein Rekordniveau. Damit verlangen Kreditversicherer aktuell mehr als in der Finanzkrise, um Forderungen an die Bank bei Zahlungsausfall zu garantieren.
Die Bank verfüge über eine "starke Kapitalbasis und Liquiditätsposition", schrieb Körner in einem Memo an die Belegschaft noch am Freitag. Bis er seine neue Strategie am 27. Oktober vorlegt, werde er sie nun regelmässig auf dem Laufenden halten, heisst es in der Nachricht.
Die Uhr tickt, während Körner und Verwaltungsratschef Axel Lehmann an dem jüngsten Plan für die Credit Suisse basteln. Zu den Marktturbulenzen kommen reihenweise Abgänge von Spitzenbankern und eine brodelnde Gerüchteküche, die die Unsicherheit noch schürt. Wahrscheinlich stehen tiefe Einschnitte bei der Investmentbank und der Abbau Tausender Stellen ins Haus.
Es war der zweite Freitag in Folge, an dem Körner mit einer derartigen Mitteilung an die Belegschaft kalmieren musste. Vorausgegangen war eine weitere Analystenschätzung zu einem möglichen Kapitalloch im Zuge der neuen Strategie: Die Bankspezialisten von Keefe, Bruyette & Woods halten selbst nach einem möglichen Verkauf von Vermögenswerten noch eine Kapitalerhöhung in Höhe von 4 Milliarden Franken für nötig.
Verschlechterte Wahrnehmung der Kreditwürdigkeit der Credit Suisse
Da die Marktkapitalisierung auf rund 10 Milliarden Franken gesunken ist, würde ein solcher Schritt die derzeitigen Aktionäre stark verwässern. Noch im März 2021 lag der Marktwert bei über 30 Milliarden Franken. Die Kernkapitalquote (CET1) der Bank lag zum Ende des zweiten Quartals bei 13,5 Prozent, innerhalb der Zielspanne von 13 Prozent bis 14 Prozent.
Auch wenn die Niveaus der Credit-Default-Swaps noch weit von einer Notlage entfernt sind und Teil eines allgemeinen Ausverkaufs am Markt sind, deuten sie doch auf eine verschlechterte Wahrnehmung der Kreditwürdigkeit hin. Auf Basis der Zahlen für das zweite Quartal betrachte er die Kapital- und Liquiditätslage des Instituts als gut, betonte Analyst Kian Abouhossein von der Bank JPMorgan. Der Anstieg der CDS müsse im Kontext der unsicheren Konjunkturaussichten gesehen werden. Auch für andere Geldhäuser hätten sich die Ausfallversicherungen zuletzt verteuert.
Dennoch: "Es bedeutet, dass der Markt einen Ausfall einer der grössten Schweizer Banken aggressiv einpreist", heisst es in einem Kommentar der Swissquote-Experten. Und sie fügen an: "Ist das möglich? Ja, es ist möglich, aber höchst unwahrscheinlich." Denn die CS sei mit Sicherheit "too big to fail".
Die Analysten von KBW zogen in ihrer Analyse letzte Woche Parallelen zu der Abwärtsspirale, in der sich vor rund sechs Jahren die Deutsche Bank AG befand. Damals erlebten die Frankfurter einen Exodus der Anleger, der dazu führte, dass sich auch Kunden zurückzogen, Mitarbeiter kündigten und Ratingagenturen die Bank herabstuften. Der Teufelskreis aus sinkenden Erträgen und steigenden Refinanzierungskosten musste in jahrelanger Arbeit umgedreht werden.
Laut den Swissquote-Experten braucht die Bank nun entweder ein "Weihnachtswunder", dass der neue CEO wie versprochen die Bank innert 100 Tagen auf Vordermann bringt. Die Alternative wäre gemäss dem Kommentar, dass die CS von einem Konkurrenten übernommen wird. Und auch eine Rettung durch den Staat sei nicht mehr auszuschliessen.
Einig sind sich alle Experten darin, dass die Zeit drängt. Die Analysten von JP Morgan können sich daher auch vorstellen, dass das Strategie-Update vorgezogen wird. Die Ergebnisse einer umfassenden Strategieüberprüfung sollen eigentlich zusammen mit den Resultaten zum dritten Quartal am 27. Oktober kommuniziert werden.
(Bloomberg/cash/AWP)
1 Kommentar
Es ist offensichtlich, dass dieser (immer noch?) systemrelevante Laden den Bach ab geht. Es ist für mich unverständlich, weshalb nichts unternommen wird. Soll die Haftung der Steuerzahler maximiert werden?