Anleger dürften in der neuen Woche einer Antwort auf ihre derzeit drängendste Frage, dem Zeitpunkt möglicher Zinssenkungen, näher kommen. Bei der ersten Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) im neuen Jahr am Donnerstag gehen Experten davon aus, dass Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde versuchen wird, die an den Börsen weit vorausgeeilten Erwartungen an baldige geldpolitische Lockerungen zu dämpfen.

Vertreter der Fed und der EZB signalisierten zuletzt bereits, dass es doch länger dauern könnte, bis die Notenbanken die Zinswende einleiten. «Natürlich dürfte die EZB besorgt über die konjunkturelle Entwicklung und die Risiken sein. Auf der anderen Seite sieht sie aber auch noch Aufwärtsrisiken für die Inflation, weshalb sie ein vorschnelles Handeln vermeiden will», fasst Commerzbank-Analystin You-Na Park-Heger zusammen.

Anleger hatten Ende 2023 angefangen, auf erste Lockerungen im März oder April zu spekulieren. Nach zurückhaltenden Äusserungen schwächten sich die Erwartungen an eine schnelle Wende aber wieder ab. Viele Ökonomen gehen erst von einer Anpassung im Juni aus. Entsprechend holprig verlief der Jahresstart für einige Börsenplätze: Im Januar kommt etwa der deutsche Leitindex auf ein Minus von rund einem Prozent.

EZB dürfte Zinsen unverändert belassen

Bei den Zinsen dürfte die EZB am Donnerstag wie schon im Dezember die Füsse stillhalten. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, bliebe damit bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit Beginn der Währungsunion 1999. Der Leitzins bliebe bei 4,50 Prozent.

Während die Notenbanken weltweit im Kampf gegen die Inflation die Zinsen angehoben hatten, hielt die Zentralbank in Japan bislang an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Auf der anstehenden Zinssitzung am Dienstag könnte Analysten zufolge die Gelegenheit sein, eine Kehrtwende zumindest vorzubereiten.

Am Montag wird die chinesische Zentralbank über den geldpolitischen Schlüsselsatz entscheiden, der im Fachjargon als Loan Prime Rate - kurz LPR - bekannt ist. Er dient zur Festlegung der Verbraucherkredit- und Hypothekenzinsen. Die meisten Kredite in der Volksrepublik basieren auf dem einjährigen LPR-Zins.

Stimmungsindikatoren im Fokus

Da die Notenbanker sich massgeblich an der Entwicklung von Inflations- und Konjunkturdaten orientieren, rücken die Stimmungsindikatoren für die deutsche Industrie und den Servicesektor am Mittwoch in den Blick der Investoren. Die Hoffnungen auf eine baldige Belebung der Konjunktur dürften dabei einmal mehr enttäuscht werden, sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.

Auch die Stimmung bei den deutschen Unternehmen dürfte schlecht bleiben. Am Donnerstag wird dazu der Ifo-Geschäftsklimaindex für Januar Signale liefern. Vor der Jahreswende hatte sich die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft überraschend eingetrübt - nach zwei Anstiegen in Folge. Am Freitag gibt der GfK-Index Aufschluss über das Konsumklima. Aus den USA stehen am Donnerstag die vorläufigen Zahlen zum US-BIP im vierten Quartal im Mittelpunkt.

SAP legt Bilanz vor

Langsam mehren sich im Unternehmenssektor auch die Termine für die Vorlage von Bilanzzahlen wieder. Hierzulande steht am Mittwoch SAP in den Startlöchern. Für 2023 peilt Europas grösster Softwarekonzern ein Betriebsergebnis von 8,65 bis 8,95 Milliarden Euro an. Bei den Cloud-Umsätzen liegt die Spanne bei 14 bis 14,2 Milliarden Euro.

Bei den US-Firmen legt unter anderem Netflix am Dienstag Zahlen vor. Angesichts steigender Nutzerzahlen hoffen Börsianer auf starke Quartalszahlen des Streamingdienstes. Bei Intel setzen die Anleger dank ermutigender Zahlen des Konkurrenten TSMC am Donnerstag auf eine positive Überraschung.

(Reuters)