Die Aktionäre des Solarunternehmens Meyer Burger sind mit kaum aufholbaren Kursverlusten konfrontiert. Zumindest wird für sie nach der Rückzahlung aller Schulden nicht viel übrig bleiben, wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) kürzlich in einem Kommentar schrieb. Die ZKB hat die Aktien von Meyer Burger wiederholt als «uninvestierbar» bezeichnet.
Tatsächlich stemmt sich das Solarunternehmen gegen den Kollaps. Nachdem der mit Abstand wichtigste Kunde, Desri, im vergangenen Herbst den Rahmenvertrag mit Meyer Burger gekündigt hatte, sucht das Management stets aufs Neue nach vorübergehenden Geldquellen. Zurzeit läuft eine Brückenfinanzierung, sie läuft Ende Februar aus.
Der Niedergang der unter anderem in Thun beheimateten Firma zieht sich aber schon deutlich länger als über einige Monate hin. Trotz laufender Energiewende und einem mutmasslich hohen Bedarf an Solaranlagen hat das Geschäftsmodell von Meyer Burger nie richtig funktioniert. Dafür ist einerseits die Billigkonkurrenz aus China zu stark. Andererseits machen Überkapazitäten im europäischen Solarmarkt dem 1953 gegründeten Unternehmen zu schaffen. Hinzu kommen Rücksetzer wie der ins Stocken geratene Aufbau einer US-Produktion.
Unter dem Strich hat Meyer Burger in den zurückliegenden Jahren praktisch durchgängig rote Zahlen geschrieben. Reingewinn und Cashflow waren mit wenigen Ausnahmen negativ. Die Aktie hat innert zehn Jahren rund 99,5 Prozent ihres Wertes eingebüsst.
Ein grosser Investor hat nun die Reissleine gezogen: Der Norwegische Staatsfonds. Bis 2024 war er am Solarunternehmen beteiligt - zuletzt mit rund 3 Prozent respektive 94 Millionen Kronen oder 8,8 Millionen Dollar. Inzwischen ist der Staatsfonds ausgestiegen.
Bei einem Gesamtvermögen von knapp 20 Billionen Kronen oder fast 2 Billionen Dollar wird er den entstandenen Verlust eher tragen können als Privatanleger, die bis heute in Meyer Burger investiert sind und auf hohen Buchverlusten sitzen.
Diversifikation ist das A und O
Meyer Burger ist dabei ein Paradebeispiel dafür, wie Anlegerinnen und Anleger Unsummen verlieren können, wenn nur auf ein Unternehmen spekuliert wird. Gerade bei Wachstumsaktien, welche keinen Cashflow erzielen, ist Diversifikation das A und O, um einem Totalschaden vorzubeugen. Es drängt sich auf, nebst einer damaligen Newcomer-Aktie wie des Thuner Solarpanelherstellers gleichzeitig noch zwei bis drei Titel aus dem gleichen Sektor ins Depot zu legen.
Die Energiewende hat eine sehr lange Laufzeit mit vielen Katalysatoren, erklärt Elena Anderson, Portfoliomanagerin beim US-Finanzdienstleister William Blair. Diese drehen sich eindeutig um den Klimawandel, aber es sind auch neue Katalysatoren wie die Geopolitik, Deglobalisierung und nationale Sicherheitsaspekte hinzugekommen.
In den entwickelten Märkten sind die Stromnetze veraltet und es sind viele Investitionen nötig, um diese Netze zu modernisieren und sie für die Zukunft fit zu machen. Digitalisierung, Big Data, Künstliche Intelligenz und Rechenzentren setzen den Stromverbrauch stärker unter Druck. Wer in diesen Sektor investiert, wird deshalb keine gerade Linie finden, auch wenn den erneuerbaren Energien im Energiemix die Zukunft gehören, argumentiert Anderson.
Das Ökosystem ist sehr vielfältig, weshalb Investierende gut beraten sind, auf Qualitätswachstum zu setzen, betont die Expertin von William Blair weiter. «Wir investieren also mit Blick auf Qualität und nicht nur auf das Wachstumsthema.»
Die Titel im erneuerbaren Energiesektor erreichten 2020 bis 2022 die Höchststände aufgrund der niedrigen Zinssätze und Finanzierungskosten. Und als die Zinssätze dann zu steigen begannen, waren Valoren wie Meyer Burger, Oersted oder Siemens Gamesa hoch bewertet mit sich erst langfristig einstellenden positiven Cashflows bei gemischter Qualität. Da diese Bereiche sehr kapitalintensiv sind, war es ein verheerender Cocktail.
«Es ist also keine Überraschung, dass es in dem Bereich, der als Energiewendebereich gilt, zu einer enormen Verschlechterung gekommen ist», betont die Expertin von William Blair, «All diese Schmerzen waren nicht gleichmässig oder gleich verteilt, da die Zinsen länger als erwartet hoch geblieben sind.
Anlageerfolg geht über den Cashflow
Es braucht eine rigorose Auswahl, um erfolgreich bei erneuerbaren Energien zu investieren. Dabei können Versorgungsunternehmen wie BKW, RWE oder Vattenfall vom Wachstum bei erneuerbaren Energien profitieren, aber sie sind anleihenähnliche Investments und ausser als Obligationenersatz wenig geeignet.
Bei Herstellern von Windturbinen und Solarmodulen gibt es viel Druck, weil die Branche nur eine geringe Wertschöpfung hat. Deshalb legt die Portfoliomanagerin Anderson den Fokus auf die Infrastruktur, Energielösungen und das Projektmanagement. ABB und Schneider sind zwei erfolgreiche Vertreter der Energiewende. Diese gehören zu den führenden Anbietern von Energie-Managementlösungen. «Sie sind von entscheidender Bedeutung wegen der alternden Netze, der Digitalisierung und der dezentralisierten Stromerzeugung sowie der Verbreitung von Rechenzentren», so Anderson.
Schneider Electric ist sehr gut bei den Hyperscalern und Rechenzentrumsanbietern integriert, welche eine enorme Menge an Strom benötigen. In ähnlicher Weise leistet ABB viel, nicht nur in kommerziellen, sondern auch in industriellen Anwendungen für das Energiemanagement, erklärt die Portfoliomanagerin weiter. «Diese Unternehmen haben eine Kapitalrendite im zweistelligen Bereich, ein Wachstum beim Betriebsgewinn im niedrigen zweistelligen Bereich und sehr gesunde Freie-Cashflow-Margen. Wenn Sie also in qualitativem Wachstum verankert sind, ist dies ein guter Angelteich für Investoren im Ökosystem der Energiewende.»
Ein weiterer Favorit ist der Industriegas-Hersteller Linde. Blauer und grüner Wasserstoff sind neu entstehende, aber ernstzunehmende Technologien, die zur Senkung der Emissionen in schwer zu elektrifizierenden Bereichen der Wirtschaft wie der Stahlproduktion oder der Düngemittelherstellung eingesetzt werden, erläutert Anderson. Das Wachstum bei kohlenstoffarmem Wasserstoff wird wahrscheinlich zu den höchsten aller Bereiche der Energiewende gehören, da es von einer niedrigen Basis ausgeht.
Im Gegensatz zu kleinen oder mittelgrossen Firmen wie Meyer Burger oder Orsted können Grossunternehmen wie ABB, Linde oder Schneider in diesem kapitalintensiven Bereich viele Wettbewerbsvorteile ausspielen, da die Energiewende auch in den nächsten 20 Jahren grosse Kapitalmengen erfordern wird. Einige der grössten Unternehmen in diesem Bereich wie die etablierten Öl- und Gasunternehmen sowie die grosskapitalisierten Versorgungsunternehmen sind besser darin, Kapital in grossem Massstab einzusetzen als fast jedes andere Unternehmen in irgendeiner anderen Branche.
Nicht ausschliesslich auf Hochrisiko-Aktien setzen
Hat eine Anlegerin oder ein Anleger vor zehn Jahren gleichgewichtet in die vier Unternehmen Meyer Burger, ABB, Linde und Schneider Electric investiert, mussten zwar mit Meyer Burger ein massiver Abschreiber verkraftet werden. Auf der anderen Seite legten ABB um 77 Prozent, Linde um 19 Prozent und Schneider Electric um 152 Prozent zu und haben damit den Verlust von Meyer Burger mehr als kompensiert. Insgesamt wären die vier Positionen immerhin noch 12 Prozent im Plus - Dividendenzahlungen nicht eingerechnet.
Fazit: Wer in Wachstumsaktien investiert, muss sich der Risiken bewusst sein. Im Venture-Capital-Bereich, der ebenfalls in einer frühen Phasen in junge, aufstrebende Firmen investiert, entwickelt sich nur eines von zehn Investments sehr erfolgreich. Bei den anderen neun können sich im Schnitt zwei auf dem Niveau der Anfangsinvestition halten, während die anderen sieben Investments im Totalverlust enden.
Deshalb gilt: Niemals einen grösseren Anteil des Vermögens in Hochrisiko-Aktien investieren - das ist, wie den Jahreslohn auf eine einzige Lottozahl zu setzen. Und wenn Wachstums- und Technologiewerte gekauft werden, dann sollte der Anteil eines Valors maximal zwei Prozent betragen - ergänzt um solide, ähnliche Einzelaktien wie im Beispiel mit Meyer Burger, ABB, Linde und Schneider Electric. Wer dennoch Zocken will, kann dies über Optionen und gehebelte Produkte tun. So wird das Risiko auf den Einsatzbetrag limitiert. Allerdings gilt auch da: Eine gehebelte Einzelposition sollte bei einem «aggressiven» Trader maximal fünf Prozent des Portfolios ausmachen.
1 Kommentar
Absolut richtig. Immer auch auf den Erfolg achten, für Investoren ist langfristig wichtiger als schneller Gewinn. Die genannten überzeugen. Obwohl ich auch kurz mit einer Position in Meyer Burger war, da ich dummerweise glaubte das neue Management sei besser. Tolles Produkt, mieses Management mit schlechten Gewohnheiten. Nun wäre schön gewesen Europa hätte bei Solar und Batterien den Vorsprung gehalten. Mein Tipp, Finger weg von deutschen Autokonzernen, das sind schlafende Zeitbomben.