Berlin, 11. Mai (Reuters) - Die Zahl ausländischer Investitionsvorhaben in Deutschland ist einer Studie zufolge im vergangenen Jahr erneut gesunken und dadurch auf den niedrigsten Stand seit 2013 gefallen. Sie ging im Vergleich zu 2021 um ein Prozent auf 832 zurück, wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY am Donnerstag mitteilte. Damit verringerten sich die Investitionen seit 2017 kontinuierlich. Zwar sei Deutschland ohne Zweifel nach wie vor ein starker und wettbewerbsfähiger Standort, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung bei EY, Henrik Ahlers. "Aber auf der Kostenseite hat Deutschland zuletzt deutlich an Attraktivität verloren – gerade für Industrieunternehmen."

Auch bei Forschung, Entwicklung und digitalen Innovationen seien andere Standorte derzeit besser aufgestellt. "Hierzulande dauert vieles einfach zu lang und ist mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden – ob es nun um Planungs- und Genehmigungsverfahren oder auch den Ausbau der digitalen und der Energie-Infrastruktur geht", sagte Ahlers.

Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt der Studie zufolge Frankreich, wo die Entwicklung schon seit einigen Jahren deutlich dynamischer verlaufe als in Deutschland. So stieg die Zahl der Investitionsprojekte im Nachbarland im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 1259, nachdem sie 2021 sogar um 24 Prozent zugelegt habe. Großbritannien belegt den zweiten Platz im Ranking, die Zahl der Projekte schrumpfte allerdings um sechs Prozent auf 929.

"Vor allem Frankreich hat Deutschland in den vergangenen Jahren abgehängt", sagte Ahlers. Präsident Emmanuel Macron habe es geschafft, mit wirtschaftsfreundlichen Reformen eine Dynamik zu entfachen, von der Deutschland derzeit weit entfernt sei. "Zudem konnte Deutschland kaum von der Brexit-bedingten Schwäche des Investitionsstandorts Großbritannien profitieren", sagte der Experte.

Allerdings: In einer für die EY-Studie durchgeführten weltweiten Unternehmensbefragung kann Deutschland aktuell einen deutlichen Attraktivitätszugewinn verbuchen. Der Anteil der Befragten, die die Bundesrepublik als einen von drei Top-Standorten in Europa bezeichnen, ist im Vergleich zur Vorjahresbefragung von 42 auf 62 Prozent gestiegen. Frankreich (47 Prozent) und Großbritannien (43 Prozent) liegen deutlich dahinter. "Im vergangenen Jahr waren die Sorgen vor einer akuten Energiekrise und Produktionsausfällen in Deutschland groß", sagte Ahlers. "Das konnte verhindert werden, und auch die Lieferkettenunterbrechungen, die sich aus dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland ergaben, wurden relativ schnell bewältigt." (Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)