Für den Gesamtstaat, also Bund, Länder und Kommunen zusammen, sagen die Schätzer für 2025 Steuereinnahmen von 982,4 Milliarden Euro voraus. Das ist 12,7 Milliarden Euro pessimistischer als noch im Mai. Auch für das laufende Jahr sieht es mit einem Minus von 8,7 Milliarden Euro mau aus. Bis 2028 erwarten die Schätzer nun 58,1 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als im Frühjahr.

Für den Bund allein rechnen die Schätzer 2025 zwar mit einem Mini-Plus von 0,7 Milliarden - das liegt aber vor allem an geringeren Abführungen an die EU. Die seien in seinem Haushaltsentwurf auch längst berücksichtigt, sagt der FDP-Chef. Unter anderem wegen höherer Kosten für Bürgergeld und EEG-Umlage wachse das Haushaltsloch sogar. «Es gibt keine Spielräume für Verteilungspolitik», betonte Lindner. «Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein.»

Der unfertige Bundeshaushalt

Fast 490 Milliarden Euro will die Ampel-Regierung im nächsten Jahr ausgeben, mehr als ein Zehntel davon auf Kredit. Das erlaubt zwar die Schuldenbremse. Opposition, Rechnungshof, Bundesbank und Ökonomen halten Lindners Zahlenwerk aber trotzdem für mehr oder weniger unseriös oder unrealistisch.

Der FDP-Chef hat den Abgeordneten eine schwierige Aufgabe übertragen, denn bis zum Schluss konnte er sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nicht einigen, wo Geld eingespart werden soll. Dadurch klaffte eine Finanzierungslücke von rund 2,5 Milliarden, als der Entwurf an den Bundestag ging. Jetzt spricht Lindner von einem «einstelligen Milliardenbetrag als Handlungsbedarf, der aber näher bei zehn als bei eins ist».

Union vermutet noch grössere Finanzierungslücke

Dieses Geld müssen nun die Abgeordneten auftreiben. So massiv mit der Axt an den Haushalt zu müssen, «ist eigentlich nicht der Job des Parlaments», beschwerte sich die SPD-Haushälterin Bettina Hagedorn gerade bei «Politico».

Einige hofften auf die Steuerschätzung, doch die bringt nun keine Entlastung. Helfen könnte, dass Fördermittel für die Intel -Ansiedlung in Magdeburg wegen der Verschiebung vorerst nicht gebraucht werden. 2025 wären das drei Milliarden - doch über deren Verwendung sind sich Scholz, Habeck und Lindner noch nicht einig. Lindner besteht darauf, dass das Geld in den Haushalt zurückfliesst - das sei alternativlos und in seinen Berechnungen auch schon so berücksichtigt. «Für andere Vorhaben steht dieses Geld nicht zur Verfügung.»

Die taumelnde Wirtschaft

Ein massgeblicher Grund für die Ergebnisse der Steuerschätzung sind die mauen Erwartungen der Bundesregierung an die wirtschaftliche Entwicklung. «Die Herausforderungen sind grösser, als wir sie uns vielleicht eingestanden haben in den letzten Jahren», konstatierte Wirtschaftsminister Habeck neulich.

Gerade hat er für 2024 die zweite Rezession in Folge verkündet. Die Wirtschaftsleistung schrumpft unter anderem, weil sich Unternehmen wie Privatleute angesichts der geopolitischen Lage mit Investitionen zurückhalten. Auch Streit innerhalb der Ampel trage zur Unsicherheit bei, räumte Habeck ein.

Mehr Spielraum für neue Schulden

Die schlechte Konjunktur beschert Lindner durch einen Mechanismus in der Schuldenbremse allerdings auch Spielraum für neue Kredite. Rund 5,4 Milliarden Euro darf der Finanzminister im kommenden Jahr mehr aufnehmen als zunächst gedacht. Doch auch das helfe nicht beim Stopfen der Finanzierungslücke, sagt Lindner. Denn das Geld werde vollkommen aufgefressen durch die konjunkturellen Mindereinnahmen. In der Regel muss man bei schwacher Konjunktur zum Beispiel höhere Ausgaben beim Bürgergeld gegenrechnen.

Lindner will deshalb sparen. Er spricht von «Ineffizienzen» bei der Subventionspolitik, von nötigen Massnahmen beim Bürgergeld. «Es mangelt nicht an Ideen, woran es gegenwärtig mangelt ist Einvernehmen in der Regierungskoalition», sagt der FDP-Chef.

Grüne und SPD dagegen haben die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu machen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe ausserhalb des Haushalts einzurichten. Lindner lehnt neue Sondervermögen ab - und hat in dieser Debatte ein neues Argument: Denn Deutschland fällt es schwer, die Schuldenregeln der EU einzuhalten. Und hier zählen Sondervermögen voll mit - anders als bei Berechnung der nationalen Schuldenbremse. In Brüssel gilt: Schulden sind Schulden.

Der Haushaltsfahrplan

Nach der Steuerschätzung wird es nun ernst im Bundestag. Drei Wochen haben die Haushälter noch, um die fehlenden Milliarden aufzutreiben. Dann ist Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss - der legendäre Showdown, der meist bis in die frühen Morgenstunden geht. Im grossen Plenum soll der Etat nach jetzigem Stand Ende November beschlossen werden./tam/DP/nas

(AWP)