Am Mittwoch nahm der Bundesrat Kenntnis von der «gemeinsamen Verständigung» über Lohnschutz-Massnahmen. Zustande kam diese unter Leitung von Bundesrat Guy Parmelin. «Dahinter steckt viel Arbeit», sagte Parmelin vor den Medien in Bern. «Wir haben eine erste Etappe erreicht.» Es brauche aber noch weitere Gespräche.
Im Dezember 2024 einigten sich Brüssel und Bern materiell über neue Verträge, um die künftigen Beziehungen zu regeln. Beim Lohnschutz vereinbarten beide Seiten ein dreistufiges Absicherungskonzept. Dass zusätzlich innenpolitischen Massnahmen nötig sind, zeichnete sich schon während der exploratorischen Gespräche mit der EU ab.
Über 60 Gespräche
Mit der «gemeinsamen Verständigung» sei das Lohnschutzniveau in der Schweiz gewahrt, sagte Parmelin. Die Massnahmen richten sich an Entsendebetriebe aus der EU. Einheimische Betriebe sind nicht betroffen, und für sie sind keine neuen Vorschriften nötig.
Um Massnahmen im Inland für den Lohnschutz festzulegen, führte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) seit Dezember 2022 Gespräche mit den Sozialpartnern und den Kantonen. Die «gemeinsame Verständigung» der Dachverbände der Sozialpartner und der Kantone ist Frucht von über 60 Gesprächen.
Die Massnahmen im Inland lassen sich in drei Kategorien einteilen. Zur ersten gehören Massnahmen dort, wo mit Brüssel keine Einigung erzielt werden konnte. Darunter fällt etwa die Spesenregelung für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmer.
«Wir wollen hier unseren Spielraum ausnutzen», sagte Parmelin. Gehe es aber darum, etwas Konkretes festzulegen, stecke der Teufel im Detail. «Es ist niemand enthusiastisch, dass wir hier keine Ausnahme erwirkt haben», fügte Staatsekretärin Helene Budliger Artieda, Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), hinzu.
Aber man stehe jetzt an einem Punkt, an dem alle Beteiligten sagten, dass sie einen Weg nach vorne sähen, erklärte Budliger Artieda. Sie versicherte, dass der Handlungsspielraum in Bezug auf die Spesenregelung gross sei. «Wir hoffen, in wenigen Wochen mit einem fertigen Resultat kommen zu können.»
Zugeständnisse kompensieren
Zur zweiten Kategorie im Szenario gehören Massnahmen für die direkte Kompensation von Zugeständnissen an die EU. Eines davon ist die von acht Kalendertagen auf vier Arbeitstage verkürzte Voranmeldefrist für entsandte Betriebe. Das Meldeverfahren zu modernisieren klinge einfach, sei aber komplex, sagte Budliger Artieda.
Massnahmen, die mit Befürchtungen aufräumen sollen, dass die Dienstleistungssperre als Sanktionsmöglichkeit im Entsendegesetz unter Druck kommen könnte, bilden den dritten Block. Diese Sperre ist laut Bundesrat eine wichtige Massnahme. 2023 wurde sie über 600-mal verhängt. Betroffen sind ausländische Unternehmen.
Für den Bundesrat braucht es indes noch weitere Lohnschutz-Massnahmen. Sie sollen die sozialpartnerschaftlichen Strukturen beim Lohnschutz und allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (GAV) gewährleisten. Verhandlungen sind auch nötig für einen besseren Rechtsschutz für Betriebe im Inland, die einem solchen GAV unterstellt werden sollen.
Das Seco hat den Auftrag erhalten, die detaillierte Ausgestaltung aller Lohnschutz-Massnahmen bis Ende März mit den Sozialpartnern und den Kantonen zu finalisieren.
Die Kantone sind laut dem Präsident der Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektorinnen und -direktoren (VDK), Urban Camenzind, für die anstehenden Arbeiten gut gerüstet. Dabei gehe es unter anderem um ein vollständig digitales Meldesystem und Änderungen bei kantonalen Kontrollen.
Fahrplan für kommende Monate
Der Bundesrat gab am Mittwoch auch den Fahrplan für die nächsten Monate bekannt. Für April planen der Bundesrat und die Europäische Kommission, das Abkommen zur Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen in Brüssel zu paraphieren. Darunter ist in der Diplomatie die vorläufige Unterzeichnung eines Vertrags zu verstehen.
Dieses Abkommen muss noch dieses Jahr unterzeichnet werden, damit die Assoziierung der Schweiz am EU-Forschungsprogramm rückwirkend ab dem 1. Januar 2025 sichergestellt ist. Im November 2025 soll dieses Abkommen unterzeichnet werden.
Die übrigen Abkommen sollen im Mai paraphiert werden. Die Unterzeichnung dieser Verträge durch den Bundesrat und die EU-Kommission sieht der Zeitplan im ersten Quartal 2026 vor. Die Vernehmlassung zum Gesamtpaket Schweiz-EU ist vor dem Sommer 2025 geplant. Die Botschaft ans Parlament will der Bundesrat im ersten Quartal 2026 verabschieden.
mk/
(AWP)