"Jede Verlängerung dieser Einschränkungen ist absolut inakzeptabel und klar nicht europäisch", sagte er. Es dürfe keine Blockade des ukrainischen Exports mehr geben, schrieb er auch in einer Nachricht in seinem Telegram-Kanal.

Die EU-Kommission hatte Anfang Juni beschlossen, Einschränkungen für Getreideimporte aus der Ukraine bis zum 15. September zu verlängern. Die fünf östlichen EU-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei, Rumänien und Bulgarien wollen auch nach dem Datum am Importverbot festhalten, wenn die EU-Kommission keine andere Lösung findet.

Selenskyj sagte, er habe mit Regierungsbeamten und Experten beraten, wie die Agrarprodukte wieder EU-Gebiet passieren könnten. Es werde an einer Lösung im Geiste Europas gearbeitet. Die Ukraine gehört wie Russland zu den grossen Getreideexporteuren. Ihr Weizen und Mais etwa sind ein wichtiger Beitrag für die Ernährungssicherheit in der Welt.

Landwirte in den östlichen EU-Ländern befürchten einen Preisverfall durch die Konkurrenz, sollten ukrainische Agrarprodukte auf den EU-Markt kommen. Dort dürfen Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine nicht mehr frei gehandelt werden. Der Transit der Waren in andere EU-Länder ist aber gestattet. Die in die EU strebende Ukraine sieht eine mögliche Verlängerung der Importverbote als "nicht sehr freundlichen Schritt".

Für die Ukraine, die sich seit 17 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg verteidigt, ist der Landweg nun die einzige Möglichkeit, ihre Agrarprodukte auf dem Weltmarkt zu verkaufen und so wichtige Einnahmen zu erzielen. Russland hatte am Montag voriger Woche ein von der Türkei und den Vereinten Nationen vermitteltes Abkommen zur Verschiffung ukrainischen Getreides übers Schwarze Meer aufgekündigt. Als Grund nannte Moskau, dass seine Forderungen an die EU nach einer Lockerung der Sanktionen nicht erfüllt seien.

Selenskyj kündigt Antwort auf "russischen Terror" ab

Selenskyj informierte in seiner Videobotschaft auch über ein Treffen mit der Militärführung des Landes zum Gang der ukrainischen Gegenoffensive für die Befreiung der von russischen Truppen besetzten Gebiete. Es gebe Regionen, in denen es vorwärts gehe und andere, in denen die ukrainischen Streitkräfte in der Defensive seien. Die ukrainische Führung hatte zuletzt mehrfach eingeräumt, dass die Offensive langsamer als gewünscht vorangehe. Als Gründe werden die extrem gesicherten russischen Verteidigungslinien mit Minenfeldern und massiven Panzersperren genannt. Einmal mehr ging der Präsident auch auf die russischen Raketen- und Drohnenangriffe etwa am Schwarzen Meer ein. Es müsse mehr für den Schutz der Menschen, Städte und Häfen getan werden. "Wir bereiten kräftige Antworten auf die russischen Terrorangriffe vor", sagte er.

Kiew meldet erneut Abwehr nächtlicher Drohnenangriffe

Russland griff in der Nacht zu Dienstag ukrainischen Behördenangaben zufolge erneut die Hauptstadt Kiew an. Die ukrainische Luftabwehr habe alle sogenannten Kamikaze-Drohnen abgeschossen, "mit denen der russische Aggressor" Kiew angegriffen habe, teilte die städtische Militärverwaltung laut ukrainischer Nachrichtenagentur Ukrinform mit. Ersten Informationen zufolge habe es keine Opfer oder Zerstörungen gegeben, sagte der Leiter der Behörde, Serhij Popko. Der Luftalarm habe drei Stunden gedauert. Der Feind habe Shahed-Drohnen aus iranischer Produktion eingesetzt. Dies sei bereits der sechste Drohnenangriff auf Kiew im Juli.

Ukraine wirft Russland Streubombeneinsatz vor: Kind tot und Verletzte

Die ukrainischen Behörden warfen indes Russland einen Streubombeneinsatz in der Stadt Kostjantyniwka im ostukrainischen Gebiet Donezk vor. Ein Kind wurde dabei am Montagabend getötet, wie der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Pawlo Kyrylenko, im Nachrichtenkanal Telegram mitteilte. Es gebe sieben Verletzte, darunter vier Kinder. Die Streumunition sei an einem Gewässer explodiert, wo Menschen Erholung gesucht hätten.

Russland hat in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine immer wieder die international geächtete Streumunition eingesetzt. Kremlchef Wladimir Putin drohte auch damit, dass Russland seine Arsenale mit vielen Arten dieser Waffen als Antwort auf den Einsatz von US-Streumunition in der Ukraine nutzen könne.

Die über dem Boden explodierenden Streubomben verteilen Geschosse über grössere Flächen. Weil oft viele davon nicht sofort explodieren, gelten sie wie Minen als Gefahr für Zivilisten auch in der Zeit nach Ende der Kampfhandlungen. Deutschland und 110 andere Staaten haben sie deswegen mit einem internationalen Abkommen geächtet. Weder die USA noch die Ukraine noch Russland haben sich dem Abkommen zur Ächtung von Streumunition angeschlossen.

IAEA-Experten entdecken Minen beim AKW Saporischschja

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde haben am Rand des Geländes des von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja Antipersonenminen entdeckt. Bei einer Begehung am Sonntag hätten die Spezialisten einige Minen in einer Pufferzone zwischen der inneren und äusseren Absperrung der Anlage festgestellt, sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi am Montagabend. "Dass sich derartige Sprengstoffe auf dem Gelände befinden steht im Widerspruch zu den IAEA-Sicherheitsstandards und den Leitlinien für die nukleare Sicherheit." Allerdings gehe man davon aus, dass die Detonation dieser Minen die nuklearen Sicherheits- und Sicherungssysteme der Anlage nicht beeinträchtigen dürfte.

Was am Dienstag wichtig wird

Die Ukraine will sich weiter dafür einsetzen, dass der Getreidekorridor im Schwarzen Meer doch genutzt werden kann. Russland hatte davor gewarnt, alle Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als Träger von militärischer Fracht zu betrachten und dagegen vorzugehen. Zudem läuft die Gegenoffensive Kiews weiter./mau/DP/mis