Gemäss den Ergebnissen aus den Kantonen sagten rund 1'316'500 Stimmende Nein zum Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen. Rund 1'181'600 Stimmende befürworteten ihn. Die Stimmbeteiligung lag bei rund 45 Prozent.
Nicht realisiert werden kann damit der Ausbau der A1 zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl BE auf acht Spuren und zwischen Schönbühl und Kirchberg BE auf sechs Spuren. In der Westschweiz wird es keinen Ausbau der A1 zwischen Le Vengeron GE und Nyon VD auf sechs Spuren geben.
Ebenfalls vom Tisch sind der Bau einer dritten Röhre des Rosenbergtunnels der A1 bei St. Gallen und einer zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels der A4 in Schaffhausen. Im Raum Basel wird die A2-Osttangente nicht mit einem neuen Rheintunnel zwischen Birsfelden BL und Kleinhüningen vom Durchgangsverkehr entlastet. Der Bund wollte für die sechs Projekte 4,9 Milliarden Franken ausgeben.
Die Frauen entschieden
Ja sagten die Kantone Solothurn, Aargau, Basel-Landschaft, Nidwalden, Schwyz, St. Gallen, die beiden Appenzell, Thurgau, Schaffhausen und Zug, alle anderen sagten Nein. Nein sagten auch die von den Projekten direkt betroffenen Städte Basel, Schaffhausen, St. Gallen und Nyon VD sowie die Grauholz-Gemeinden Ittigen, Moosseedorf und Urtenen-Schönbühl (alle Kanton Bern).
Für das Resultat wichtiger als regionale Unterschiede war aber laut Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern das Geschlecht: «Frauen haben heute entschieden», sagte er am Sonntag im Schweizer Fernsehen SRF, gestützt auf Umfrageresultate von Anfang November.
Die von gfs.bern Mitte November präsentierten Umfrageergebnisse besagten, dass nur 38 Prozent der Frauen Ja oder eher Ja sagen wollten zum Autobahnausbau, während es bei den Männern 56 Prozent waren. «Die Umweltfrage gewichtet bei den Frauen mehr», so Golder.
«Historischer Erfolg» für Gegner
Am Sonntagabend jubelte das Nein-Lager, zu dem der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), die Organisation Umverkehr, weitere Umweltorganisationen und die Grünen, die SP und die GLP gehören. Die Grünen sprachen von einem «historischen Erfolg für die Verkehrswende». Der Autobahnausbau wäre übertrieben, überholt und überteuert gewesen.
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer interpretierte das Resultat als Votum für mehr Klimaschutz. Der Aargauer GLP-Nationalrat Beat Flach sagte, es brauche nicht mehr Teer, sondern intelligente Lösungen.
Die Befürworter hingegen sagten, auf den Nationalstrassen werde es jetzt noch mehr Stau geben. Das bedeute für die Wirtschaft und das Gewerbe spätere Lieferungen und steigende Kosten, so beispielsweise der Aargauer SVP-Nationalrat und Transport-Unternehmer Benjamin Giezendanner. Der Bund gab die Zahl der Staustunden auf Nationalstrassen im Jahr 2023 mit 48'000 an.
Das Abstimmungsresultat bedeutet die erste Abstimmungsniederlage für Bundesrat Albert Rösti. Der Verkehrsminister sagte am Sonntagabend, die Landesregierung sehe drei Gründe für das Nein: Das Gesamtpaket mit sechs Ausbauprojekten sei überladen gewesen. Weiter sei es nicht gelungen, weitab von den betroffenen Regionen den Nutzen des Ausbaus für die Gesamtschweiz zu vermitteln.
Zudem hätten die Diskussionen um den Finanzhaushalt des Bundes einige wachstumskritische Stimmbürgerinnen und -bürger von einem Ja zum Nationalstrassenausbau abgehalten.
Forderungen nach Umnutzung der Strassengelder
Nach dem Volksnein verlangten die Sieger mehr Geld für den öffentlichen Verkehr und für Velowege sowie für Klimaschutz. Die SVP hingegen forderte, das für die sechs Projekte vorgesehene Geld aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) müsse den Autofahrern zugute kommen. Die Mineralölsteuer sei deshalb sofort zu senken.
SVP-Bundesrat Rösti winkte vor den Medien aber ab: In den nächsten Jahren würden Nationalstrassenausbauprojekte verwirklicht. «Diese kosten entsprechend den heutigen Einnahmen der Mineralölsteuer.» Die an der Urne abgelehnten Projekte wären erst ab 2033 umgesetzt worden.
(AWP)