LOHNSCHUTZ: Die Schweiz will die EU-Entsenderichtlinien grundsätzlich übernehmen. Dabei geht es um Arbeitnehmende, die von einem EU-Arbeitgeber für eine bestimmte Zeit in die Schweiz entsandt werden. Viele Bedingungen, die für Entsendungen in die Schweiz gälten, gälten auch in der EU. Jedoch könnte die Schweiz ein dreistufiges Absicherungskonzept vereinbaren: So soll das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» weiterhin umgesetzt werden und Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen dessen Einhaltung weiterhin kontrollieren können. Ausserdem soll es Ausnahmen geben, wie zum Beispiel die Voranmeldefrist für ausländische Firmen und die Kautionspflicht. Diese Ausnahmen blieben auch bestehen, sollte sich das EU-Recht ändern. Ausserdem müsste die Schweiz künftige Anpassungen des EU-Rechts nicht übernehmen, sollten diese das Schutzniveau der entsandten Arbeitnehmenden verschlechtern. Das Thema Spesenregelung müsse in den Verhandlungen noch einmal diskutiert werden. Ziel sei die Erhaltung des heutigen Schutzniveaus.
ZUWANDERUNG: Die EU möchte das Freizügigkeitsabkommen um die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) ergänzen. Die Schweiz habe von der EU das Zugeständnis erhalten, dass im Falle einer Übernahme der UBRL Schweizer Besonderheiten berücksichtigt würden: So soll das Daueraufenthaltsrecht für EU-Staatsangehörige nach fünf Jahren nur Erwerbstätigen offenstehen. Die Schweiz soll den Aufenthalt von Arbeitslosen ohne Daueraufenthalt beenden können, wenn diese nicht mit der Arbeitsvermittlung kooperieren, um «innert nützlicher Frist» eine Arbeit zu finden. Ausserdem sei geplant, dass EU-Staatsangehörige erst nach fünf Jahren eine Niederlassungsbewilligung beantragen können - gleich wie Schweizer Bürger in der EU heute. Mit einem Meldeverfahren für Arbeitnehmende im Kurzaufenthalt und einer Meldepflicht für selbstständig Erwerbstätige soll der Lohnschutz beibehalten werden. Bei Landesverweisen sollen die Vorgaben der Bundesverfassung gewahrt werden können.
INSTITUTIONELLE ELEMENTE: Dabei geht es um die dynamische Rechtsübernahme, die einheitliche Auslegung der Abkommen, deren Überwachung und die Streitbeilegung. Diese Elemente sollen neu in jedem Binnenmarktabkommen - von Personenfreizügigkeit, zu Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft und Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) bis zu Strom und Lebensmittelsicherheit - einzeln geregelt werden. Die Auslegung und Überwachung der Abkommen sollen die Schweizer und die EU-Gerichte auf ihrem Territorium eigenständig wahrnehmen.
DYNAMISCHE RECHTSÜBERNAHME: Bei der Übernahme von neuem EU-Binnenmarktrecht soll die Möglichkeit eines Referendums gewährleistet bleiben. Im Bereich der Binnenmarktabkommen verpflichte sich die Schweiz zu einer dynamische Rechtsübernahme. Das bedeute aber nicht eine automatische Übernahme. Die Schweiz würde weiterhin über jede Rechtsübernahme «eigenständig» entscheiden und die entsprechenden Gesetze verabschieden können. Sie könne auch EU-Recht ablehnen. Zudem sollen Ausnahmen definiert werden, die von EU-Rechtsentwicklungen nicht beeinflusst werden.
STREITBEILEGUNG: Die Streitbeilegung soll zuerst in einem gemischten Ausschuss des betroffenen Abkommens thematisiert werden. Danach käme ein paritätisches Schiedsgericht zum Zuge. Der Europäische Gerichtshof könnte unter gewissen Bedingungen mit einbezogen werden. Er dürfe aber nicht entscheiden. Der Streit werde immer vom Schiedsgericht beurteilt. Sollte eine Partei nach Ansicht der anderen Partei eine Entscheidung des Schiedsgericht nicht befolgen, könne sie «Ausgleichsmassnahmen ergreifen». Diese müssten verhältnismässig sein. Eine Suspendierung eines Abkommens werde nicht «explizit» als mögliche Ausgleichsmassnahme erwähnt.
STAATLICHE BEIHILFEN: Dabei geht es um staatliche Subventionen oder andere finanzielle Vorteile für Unternehmen, für strukturschwache Regionen oder umweltfreundliche Technologien. In der Schweiz gibt es nur im Luftverkehr eine Beihilfeüberwachung, während in der EU staatliche Beihilfen ab einem gewissen Schwellenwert durch die EU-Kommission bewilligt werden müssen. Neu soll die Schweiz ihre staatlichen Beihilfen nun in drei Binnenmarktabkommen überwachen: Beim Strom-, beim Luftverkehrs- und beim Landverkehrsabkommen. Dadurch müssten Bund, Kantone und Gemeinden eine neue staatliche Beihilfe einer schweizerischen Überwachungsbehörde melden, wenn diese einen Schwellenwert überschreitet. Service-Public-Leistungen könnten aber erhalten bleiben. Ausserdem gebe es zahlreiche Ausnahmebestimmungen.
LANDVERKEHR: Die Schweiz hat bereits ein Landverkehrsabkommen mit der EU. Darin sind für die Schweiz wichtige Ausnahmen wie das Sonntags- und das Nachtfahrverbot für Lastwagen oder die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) abgesichert. Im Zuge der Sondierungen habe die EU zugesagt, dass diese und weitere Punkte von der dynamischen Rechtsübernahme ausgenommen würden. Dazu gehöre die Begrenzung auf 40-Tonnen-Lastwagen, das Verbot von Transporten von Personen und Gütern mit Start und Ziel in der Schweiz (Kabotage) und die Absicherung der Alpen-Initiative, also kein Ausbau der Strassenkapazitäten durch die Alpen. Hingegen soll die Schweiz den internationalen Schienenpersonenverkehr öffnen. Das würde bedeuten, dass in Zukunft ausländische Bahnunternehmen eigenständig Bahnverbindungen in die Schweiz anbieten könnten. Sie müssten dafür aber die Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten.
STROM: Die Schweiz und die EU hätten sich zur «Wiederaufnahme der Verhandlungen des Stromabkommens» bekannt. Dieses soll jedoch auf den Stromhandel beschränkt bleiben. Haushalte und kleine Unternehmen müssten den Strom nicht auf dem freien Markt beziehen und könnten weiterhin auf eine Grundversorgung zählen. Aus Sicht der Schweiz würde ein Stromabkommen mit der EU den Zugang zum europäischen Strommarkt regeln, Risiken wie ungeplante Stromflüsse vermindern und eine erhöhte Versorgungssicherheit gewährleisten. Schweizer Akteure könnten so künftig gleichberechtigt am europäischen Strombinnenmarkt teilnehmen.
mk/
(AWP)