Am frühen Nachmittag notierte der Anteilsschein mit 37,19 Euro 2,4 Prozent im Plus und kostete damit in etwa wieder so viel wie zuletzt vor zwei Monaten. Das Papier setzt sich weiter von seinem Anfang Oktober erreichten Zwischentief ab, das das niedrigste Niveau seit zwei Jahren markiert hatte. Die Marke von 44 Euro ist allerdings noch ein Stück entfernt, knapp darunter hatte der Kurs im Mai 2022 ein Mehrjahreshoch erreicht.

Dass RWE die Ziele für 2023 lediglich bestätigt und nicht erhöht habe, ist für UBS-Analyst Sam Arie keine Überraschung. Einige Händler hatten dies vor dem Börsenstart noch als möglicherweise enttäuschend gesehen. Laut Arie könnten der Markt jetzt darauf setzen, dass RWE das obere Ende beim angepeilten Überschuss und Ergebnis je Aktie erreicht.

Gemäss den Jahreszielen erwartet RWE 2023 beim bereinigten Nettogewinn zwischen 3,3 und 3,8 Milliarden Euro. Nach neun Monaten stehen bereits fast 3,4 Milliarden Euro zu Buche. Für Analyst Alberto Gandolfi von der US-Investmentbank Goldman Sachs spricht dies für eine anhaltend starke Gewinndynamik.

Operativ wollen die Essener im laufenden Jahr 7,1 bis 7,7 Milliarden Euro erreichen. 6,3 bis 6,9 Milliarden Euro sollten im Kerngeschäft erzielt werden, zu dem der Konzern die Stromerzeugung durch Wind- und Solaranlagen, Laufwasser-, Pumpspeicher-, Biomasse- und Gaskraftwerke zählt sowie den Energiehandel.

Finanzchef Michael Müller räumte in einer Telefonkonferenz ein, dass die Ziele konservativ seien. Allerdings sei der Markt auch volatil und das Jahr noch nicht vorbei. Verluste oder negative Effekte erwartet er für das Schlussquartal aber nicht. RWE könnte zum aktuellen Stand die Ziele auch übertreffen, sofern die Markt- und Windbedingungen günstig blieben, sagte der Manager.

In den ersten neun Monaten des Jahres verbesserten sich bei RWE insbesondere die Geschäfte mit Flüssiggas (LNG). Zudem war das Vorjahresergebnis durch Wertberichtigungen auf Verträge über Steinkohlebezüge aus Russland belastet. Den grössten operativen Ergebnisbeitrag lieferte bis Ende September jedoch das Geschäft mit Wasser, Biomasse und Gas, dank effizienterem Kraftwerkseinsatz und höheren Margen aus Strom-Terminverkäufen. Unterm Strich verdiente der Konzern 3,8 Milliarden Euro und damit - analog zum operativen Gewinnsprung - ebenfalls über 80 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

RWE-Finanzvorstand Müller nannte eine «starke Investitionstätigkeit» als Grund für die höheren Ergebnisse. Seit Jahresbeginn sei die Erzeugungskapazität um rund sechs Gigawatt gestiegen. «Das führt zu einer deutlich gesteigerten Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, die zu unserem Ergebniswachstum beiträgt.» Diese Entwicklung werde sich fortsetzen. Derzeit befänden sich weltweit Projekte mit rund acht Gigawatt im Bau. Zum 1. März hatte RWE den US-Solarstromerzeuger Con Edison übernommen.

In zwei Wochen (28. November) auf einem Kapitalmarkttag in London will das Management den Investoren dann die Ziele für die kommenden Jahre vorstellen. Beim Erreichen seiner vor zwei Jahren präsentierten Ausbauziele für Erneuerbare Energie von 50 Gigawatt (GW) bis 2030 hat RWE bereits grosse Fortschritte gemacht: Inklusive der noch in Bau befindlichen Projekte summieren sich die Kapazitäten momentan auf knapp 43 GW./lew/tob/tav/mis

(AWP)