Nachdem 2013 bereits das revidierte Raumplanungsgesetz angenommen wurde, kommt am 10. Februar 2019 mit "Zersiedelung stoppen - für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung" erneut eine Initiative vor das Volk, die die künftige Baupolitik in der Schweiz steuern will.
Gemäss Befürwortern wird mit dem neuen Gesetz eine bestehende Lücke gefüllt. Die Gegner wiederum bezeichnen die Vorlage als zu radikal und gefährlich. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorlage.
Was will die Zersiedelungs-Initiative?
Die Gesamtfläche der Bauzonen in der Schweiz soll auf dem heutigen Stand auf unbefristete Zeit eingefroren werden. Ziel der Initianten ist es, die Überbauung der Landschaft zu bremsen und damit die Natur zu schützen. Neues Bauland kann demnach nur noch erschlossen werden, wenn gleichzeitig eine mindestens so grosse Fläche als Bauzone aufgehoben wird. Weiter sollen bereits bebaute Flächen besser genutzt werden, durch eine verdichtete Bauweise. Ausserhalb von Bauzonen darf ausserdem in weniger Fällen gebaut werden als heute. Erlaubt sind nur noch Gebäude für die bodenabhängige Landwirtschaft oder Bauten von öffentlichem Interesse.
Was sind Bauzonen und wie werden diese bestimmt?
Auf einem Land darf grundsätzlich dann gebaut werden, wenn es von der Gemeinde der Bauzone zugewiesen worden ist. Stuft die Gemeinde ein entsprechendes Grundstück neu als Bauland ein, wird von einer "Einzonung" gesprochen. Umgekehrt kann auch Land, das für eine Bebauung vorgesehen war, wieder in eine Landwirtschaftszone umgewandelt werden, was als "Rückzonung" bezeichnet wird. Jede Gemeinde besitzt einen Nutzungsplan, indem für jedes Stück Land auf Gemeindeboden genau definiert ist, ob darauf gebaut werden darf oder nicht. Der Kanton muss den Nutzungsplan, der hin und wieder angepasst wird, genehmigen.
Eine ähnliche Vorlage gab es schon einmal. Über was wurde im Jahr 2013 abgestimmt?
Damals ging es um das revidierte Raumplanungsgesetz, welches deutlich angenommen wurde. Dieses Gesetz schreibt vor, dass Bauzonen nur noch dem voraussichtlichen Bedarf an Wohnraum für die nächsten 15 Jahre entsprechen dürfen. Im Gegensatz zur Zersiedelungsinitiative wird das Bauland mit dieser Bestimmung nicht komplett eingefroren. Dort, wo ein starkes Bevölkerungswachstum erwartet wird, darf weiter zusätzliche Fläche eingezont werden. Sind umgekehrt in einigen Gebieten die Bauzonen zu gross, müssen diese verkleinert werden. Die Kantone bekamen fünf Jahre Zeit, um in einem Richtplan festzulegen, wie sie diese Anpassung konkret umsetzen möchten. Diese Frist läuft Ende April 2019 aus.
Wieviel Bauland hat die Schweiz derzeit?
Gemäss der letzten Bauzonenstatistik vom Dezember 2017 gibt es in der Schweiz 232'000 Hektaren Baufläche, das sind 5 Prozent der Gesamtfläche der Schweiz. Eine Zahl, die in den vergangenen Jahren praktisch stabil blieb. 11 bis 17 Prozent dieser Bauzonen sind noch unüberbaut. Der Anteil der Baulandreserven ist in ländlichen und touristischen Regionen tendenziell grösser als in städtischen Gebieten. Wie das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) damals schrieb, würden unter der Annahme, dass die noch unüberbauten Bauzonen mit der gleichen Dichte wie die überbauten Bauzonen besiedelt würden, insgesamt rund 1,0 bis 1,7 Millionen zusätzliche Einwohnerinnen und Einwohner Platz finden.
Was sagen die Befürworter der Zersiedelungsinitiative?
Das Raumplanungsgesetz ist gemäss Befürwortern lückenhaft. Die Zersiedelung schreite voran, mit dem Boden werde zu verschwenderisch umgegangen, argumentieren sie. Nach wie vor gehe jede Sekunde fast ein Quadratmeter Grünfläche verloren. Ausserdem brauche die Landwirtschaft ausreichend Fläche, um Nahrung produzieren zu können. Einmal bebaute Flächen seien nie mehr für die Landwirtschaft nutzbar. Mit dieser Initiative würde auf bestehenden Bauflächen dichter gebaut, gleichzeitig könnten so schöne Landschaften und die Lebensqualität bewahrt werden.
Was sind die Argumente der Gegner?
Die Gegner halten die Initiative für zu radikal und gefährlich. Die Regeln seien zu starr, die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft würden ausser Acht gelassen. Das bisherige Raumplanungsgesetz reiche zum Landschaftsschutz aus, zu grosse Bauzonen werden bereits jetzt verkleinert. Benachteiligt würden Kantone und Gemeinden, die bereits jetzt sparsam mit Flächen umgehen. Diese dürften dann keine zusätzlichen Bauzonen mehr definieren, was die Boden- und Wohnungspreise in diesen Gebieten ansteigen lassen werde.
Wer unterstützt die Initiative?
Lanciert wurde die Initiative von den Jungen Grünen. Daneben erhält sie Unterstützung von SP, den Grünen, Juso, EVP, von Umweltverbänden wie Pro Natura, WWF, VCS, aber auch von bäuerlicher Seite durch Bio-Suisse und die Kleinbauern-Vereinigung. Prominente Befürworter sind auch Einzelpersonen wie Ex-Mister-Schweiz Renzo Blumenthal, der Waadtländer Chemie-Nobelpreisträger Jacques Dubochet oder der Tessiner Star-Architekt Mario Botta.
Wer ist dagegen?
Sämtliche bürgerlichen Parteien stellen sich geschlossen gegen die Zersiedelungsinitiative. Das beinhaltet FDP, SVP, CVP, BDP, aber auch die Grünliberalen. Hinzu kommen Organisationen wie der Gewerbeverband, Economiesuisse, der Bauernverband und der Hauseigentümerverband. Auch der Bundesrat empfiehlt ein Nein zur Volksinitiative, nachdem diese bereits bei National- und Ständerat deutlich durchgefallen war.
Wie gut stehen die Chancen für ein Ja am 10. Februar?
Wie so oft bei Volksbegehren schmilzt der Ja-Anteil, je näher das Abstimmungsdatum rückt: In der am 10. und 11. Januar durchgeführten Tamedia-Umfrage sprachen sich 52 Prozent dafür und 46 Prozent dagegen aus. Am meisten Sympathien geniesst die Zersiedelungsinitiative derzeit bei Anhängern der Grünen Partei und der SP. Aber auch SVP-Wähler lehnen das Anliegen mit 48 Prozent Ja-Stimmen nur knapp ab. In einer Gfs-Umfrage vom 7. Dezember 2018 hatte noch eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent der Teilnehmenden Ja zur Initiative gesagt, 29 Prozent waren dagegen.