Bald ist es soweit: Am 6. November 2018 wird in den USA in den Zwischenwahlen ("midterm elections") das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senates neu gewählt. Derzeit besitzen die Republikaner von Donald Trump in beiden Kammern eine Mehrheit, beherrschen also den US-Kongress.
Wie Berechnungen von J. Safra Sarasin zeigen, spricht die Vergangenheit dafür, dass es kurz nach den Wahlen an den Börsen aufwärts geht - egal wer gewinnt. Im Durchschnitt zeigte der amerikanische Aktienindex S&P 500 ein Monat vor bis zwei Monate nach den Zwischenwahlen um 8,4 Prozent nach oben. Und historisch gesehen haben sich zyklische Sektoren - insbesondere Technologiewerte - in Wahlphasen besser entwickelt als defensive Sektoren.
Doch ganz unwichtig dürfte der Ausgang der Wahlen dann doch nicht sein. "Wer den US-Kongress kontrolliert, kann bedeutende politische und regulatorische Entscheidungen beeinflussen – ein Faktor, der für Anleger und Portfoliomanager nicht unbedeutend ist", schreibt Scott Krauthamer, Aktienexperte beim Asset Manager AllianceBernstein in einem Bericht.
Welcher Ausgang ist zu erwarten? Gemäss verschiedenen Umfragen werden die Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit erlangen, während der Senat in den Händen der Republikaner bleiben wird. Aktuell sehen die Wahrscheinlichkeiten gemäss Statistik-Website FiveThirtyEight wie folgt aus: Die Republikaner behalten die Mehrheit im Senat mit 85 prozentiger Wahrscheinlichkeit, gleichzeitig werden die Demokraten mit einer 86-Prozent-Chance das Repräsentantenhaus übernehmen.
Doch hin und wieder und auch immer öfter kommt es anders, als Umfragen voraussagen. Es lohnt sich deshalb für die Finanzmarktteilnehmer, die Auswirkungen der möglichen Wahlausgänge auf die Börse zu studieren , um am 6. November nicht auf dem falschen Fuss erwischt zu werden. Die drei möglichen Szenarien:
1. Demokraten übernehmen nur das Repräsentantenhaus (Wahrscheinlichkeit 75 Prozent)
Nimmt alles den erwarteten Lauf, dann werden sich Präsident Trumps Republikaner im Senat behaupten können, gleichzeitig geht aber die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten. Grundsätzlich ist diese Variante mehr oder weniger im Aktienmarkt eingepreist, grosse kurzfristige Schwankungen dürften daher ausbleiben.
Was aber nicht heisst, dass die Märkte gänzlich unberührt bleiben werden: Verschiedene Experten rechnen mit einer leichten Erholung der Märkte, zumal durch einen gespaltenen Kongress bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 wohl keine nennenswerten (und für die Märkte schädlichen) Gesetzgebungen verabschiedet werden können.
Krauthamer von AllianceBernstein rechnet in diesem Szenario in erster Linie mit einer Erholung im Gesundheitssektor, in der Schweiz wären davon vor allem Roche und Novartis betroffen. Bei dieser Konstellation sei es unwahrscheinlich, dass an der Gesetzgebung zum "Affordable Care Act" oder zur Preisgestaltung für Arzneimittel wesentliche Änderungen vorgenommen werden.
2. Demokraten übernehmen beide Kammern (Wahrscheinlichkeit 15 Prozent)
Übernehmen die Demokraten hingegen gleich beide Kammern, zeichnen sich Verwerfungen an den Finanzmärkten ab. Politisch können Entscheidungen von Präsident Trump blockiert werden, etwa die Steuersenkungspläne für Unternehmen und Gutverdienende. Auch Stellenbesetzungen wie die Ernennung von Richtern für den Obersten Gerichtshof sind durch die Demokraten blockierbar.
Für Daniel Kalt stellt dieses Szenario das grösste Risiko für Investoren dar: "Diese Konstellation könnte zu einer Regierungsblockade führen, was sich zumindest kurzfristig als Nervosität an den Märkten bemerkbar machen dürfte", schreibt der Chefökonom von UBS Schweiz in einem Kommentar.
AllianceBernstein sieht neben der allgemein höheren Volatilität am Aktienmarkt aber auch einige Profiteure: Demokraten dürften Infrastrukturausgaben eine höhere Priorität zuordnen, was eine gute Nachricht für Aktien in den Sektoren Industrie und Rohstoffe sei. Aus der Schweiz ist etwa Zementhersteller LafargeHolcim in diesem Bereich tätig.
3. Republikaner behalten Mehrheit in beiden Kammern (Wahrscheinlichkeit 10 Prozent)
Bilden die Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern, so bleibt der Status quo erhalten. Die Republikaner können weiterhin ihre politische Agenda durchsetzen, ohne eine politischen Blockade befürchten zu müssen. Weitere Steuererleichterung zeichnen sich ab.
Dieses Szenario ist nur wenig wahrscheinlich, wodurch umgekehrt deren Eintreten wohl die stärksten Auswirkungen auf die Finanzmärkte zur Folge hätte. David Page von Axa Investment Managers in London sieht in diesem Szenario etwa das grösste Aufwärtspotenzial für die Aktienmärkte, wie er Ende September gegenüber cash sagte.
Doch gibt es auch andere Meinungen: Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer schliesst eine vorübergehende negative Reaktion nicht aus, weil der "erratische" US-Präsident gestärkt aus der Wahl hervorgehe, wie er jüngst zur Nachrichtenagentur Reuters sagte.