Mit den aktuell umgesetzten Klimapolitiken sei eine Erwärmung zwischen 2,2 bis 3,5 Grad Celsius bis Ende Jahrhundert zu erwarten, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Synthesebericht des sechsten Sachstandberichts des IPCC. Die 1,5-Grad-Schwelle würde bereits vor 2035 erreicht.

Das Zeitfenster, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern, schliesse sich also rasch, heisst es im Bericht weiter. Entscheidungen und Massnahmen, die in diesem Jahrzehnt getroffen werden, wirken sich demnach auf die nächsten Jahrtausende aus.

Der IPCC-Synthesebericht ist eine der Grundlagen für kommende Klimaverhandlungen. Das neue Dokument fasst die seit 2018 erstellten Berichte des Weltklimarats zusammen. 93 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, darunter fünf aus der Schweiz, arbeiteten am Synthesebericht mit.

Koordinierte Massnahmen nötig

Bereits heute stehen laut dem Bericht verschiedene Optionen zur Verfügung, um den Ausstoss von Treibhausgasen effektiv zu verringern. Für eine erfolgreiche Umsetzung von Klimamassnahmen braucht es laut dem Weltklimarat insbesondere eine angemessene Finanzierung, ein inklusives Politiksystem und eine Koordination über viele Politikbereiche hinweg.

Diese Koordination ist auch in der Schweiz eine grosse Herausforderung: In der Schweizer Strategie 2020-2025 zur Anpassung an den Klimawandel seien viele Massnahmen nicht sektorenübergreifend, wie die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) mitteilte.

Laut dem Weltklimarat haben Massnahmen zur Veränderung der Nachfrage ein grosses Potenzial. Bei der Ernährung könnten so bis 2050 44 Prozent weniger Treibhausgase ausgestossen werden als bei unveränderter Nachfrage, bei den Gebäuden 66 Prozent, bei der Elektrizität 73 Prozent, beim Landverkehr 67 Prozent und in der Industrie 29 Prozent. Als besonders vorteilhaft erweisen sich zudem der Ausbau von Solar- und Windenergie sowie Massnahmen zur Verlangsamung des Verlusts natürlicher Ökosysteme.

Schweiz bereits stark betroffen

Die Klimaerwärmung schreitet indessen schneller voran, als bisher gedacht. "Auch die Schweiz ist bereits stark vom Klimawandel betroffen", sagte Erich Fischer, IPCC-Autor von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH Zürich) in der Mitteilung der SCNAT. "In den vergangenen Jahren haben wir einen Vorgeschmack erhalten auf Extremereignisse, die künftig noch gravierender und häufiger werden. Dazu gehören extreme Hitze, trockene Sommer, Starkniederschläge und Schneemangel."

Im aktuellen Bericht schätzt der Weltklimarat die Risiken für Extremereignisse deutlich grösser ein als im letzten Bericht vor neun Jahren. Zudem treten diese bereits bei einer geringeren Erwärmung ein. Es wird erwartet, dass die klimabedingte Nahrungsmittel- und Wasserunsicherheit mit der zunehmenden Erwärmung zunehmen wird.

Junge Menschen besonders betroffen

Der Synthesebericht zeigt auch, dass junge Menschen durch die Klimakrise besonders gefährdet sind. Kinder, die heute geboren werden, werden laut dem Weltklimarat in ihrem Leben deutlich häufiger Wetterextreme erleben als die Generation ihrer Eltern und Grosseltern.

"Jedes Zehntelgrad Erwärmung, das wir verhindern können, senkt das Risiko für negative Klimafolgen markant, insbesondere für junge Menschen, die diese Änderungen erleben werden. Umgekehrt steigt mit jeder zusätzlichen Erwärmung das Risiko für Extremereignisse bisher unbekannten Ausmasses oder von abrupten massiven globalen Veränderungen", sagte Sonia Seneviratne, koordinierende IPCC-Autorin von der ETH Zürich.

Von den verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind laut dem Bericht aber die Länder, in denen Armut herrscht, Regierungssysteme instabil und Menschen marginalisiert sind, ungleiche Machtstrukturen herrschen und der Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsdiensten eingeschränkt sind.

Für die Finanzierung von Anpassungsmassnahmen sind ärmere Länder auf Unterstützung von Industriestaaten angewiesen.

(AWP)