Die Aktion in Zürich war Teil einer landesweiten Protestwelle im Rahmen der Neuverhandlungen des Landesmantelvertrages (LMV). Der Demonstrationszug führte die Bauarbeiter am Mittag zum Hauptsitz der Baumeister in Zürich. Die Unia und ein Keystone-SDA-Journalist vor Ort schätzten die Zahl der Protestierenden auf rund 2000.
Die "überrissenen Forderungen" der Baumeister, die 12-Stunden-Arbeitstage und 58-Stunden-Wochen ermöglichen sollen, hätten seit Mitte Oktober insgesamt 15'000 Bauarbeiter auf die Strassen der Schweiz getrieben, schrieben die Gewerkschaften Syna und Unia in einer Mitteilung.
Arbeiter wollen sich nicht erpressen lassen
Das Vorhaben der Baumeister sei ein Angriff auf die Gesundheit und das Privat- sowie Familienleben der Bauarbeiter. Für die Gewerkschaften versteckt der Baumeisterverband Abbauforderungen hinter dem Wort "Flexibilisierung". Diese wollten die Baumeister mit einer Lohnerhöhung erkaufen.
Doch die Bauarbeiter liessen sich nicht erpressen - "eine Lohnerhöhung steht den Bauarbeitern aufgrund der Teuerung und der guten Konjunktur sowieso zu", wurde Nico Lutz, Bauverantwortlicher der Unia, in der Mitteilung zitiert.
Falls die Baumeister nicht auf die Forderungen eingehen, hätten sich die Bauarbeiter in einer schweizweiten Abstimmung für Streikmassnahmen im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ausgesprochen, hiess es in der Mitteilung der Gewerkschaften weiter. Damit würden sie sich mit aller Kraft gegen einen vertragslosen Zustand stemmen.
Baumeister wenden sich an Schiedsgericht
Der Baumeisterverband ist indes der Ansicht, dass der Streik gegen die Friedenspflicht verstosse, da er zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem die siebte Verhandlungsrunde zwischen den Sozialpartnern noch aussteht. An der zweitägigen Delegiertenversammlung in Lugano wurde beschlossen, den Verband zu beauftragen, den "mehrfachen Vertragsbruch der Friedenspflicht" vor das nationale Schiedsgericht zu bringen. Die Delegierten hätten die Streiks und Proteste scharf verurteilt, hiess es in der Mitteilung vom Freitag.
Ende Oktober hatte in Genf das Gericht für kollektive Arbeitsbeziehungen des Kantons eine entsprechende Klage der Baumeister abgewiesen. Die Protesttage der Gewerkschaften widersprächen nicht der Friedenspflicht in laufenden Verhandlungen, hiess es.
Der Verband hatte schon vor Beginn der Verhandlungen öffentlich verkündet, einen vertragslosen Zustand in Kauf zu nehmen, um seine Ziele zu erreichen. Er forderte in einer Mitteilung die Gewerkschaften auf, am Verhandlungstisch am Montag, 14. November Hand zu bieten für Lösungen.
Bei Löhnen besteht Spielraum
Auf Anfrage teilte der Verband unter anderem mit, es bestehe bei den Löhnen Spielraum für Erhöhungen. Der genaue Umfang hänge davon ab, ob die Gewerkschaften Hand bieten würden "zu einer Modernisierung des LMV". Die sechsmonatige Kündigungsfrist für ältere Arbeitnehmer bleibe unverändert, ihre Zuteilung in bestehende Lohnklassen ebenfalls. Die Anzahl Stunden pro Jahr (2112) und Woche (maximal 48) sollen unverändert bleiben, wie es weiter hiess.
Diese Woche war es bereits in der Westschweiz zu Protesten mit Tausenden Bauarbeitern gekommen. Hintergrund der Mobilisierung der Baubranche ist die Erneuerung des LMV, der Ende des Jahres ausläuft. Trotz sechs Verhandlungsrunden haben sich die Sozialpartner noch immer nicht einigen können. Ein Scheitern würde zu einem vertragslosen Zustand führen.
Angefangen hatten die Protesttage Mitte Oktober im Tessin. Es folgte die Nordwestschweiz am 1. November. In Zürich wurden bei der Protestaktion am Freitag Bauarbeiter aus Zürich, Bern, der Zentral- und Ostschweiz erwartet.
(AWP)