Empfang mit militärischen Ehren - Pressekonferenz abgesagt
Schmyhal wurde am Sonntag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt empfangen und traf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Er war der höchstrangige ukrainische Besucher in Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut einem halben Jahr.
Eine gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Schmyhal wurde schon am Samstag mit dem Hinweis auf Terminschwierigkeiten von deutscher Seite abgesagt. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte Scholz in dem Gespräch, dass Deutschland nicht nachlassen werde, die Ukraine militärisch, aber auch politisch, finanziell und humanitär zu unterstützen. Trotz des anhaltenden Kriegs gelte es, den Wiederaufbau zu planen.
Der Ministerpräsident traf sich auch mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), die ihm Hilfe beim Wiederaufbau versprach. Sie verwies darauf, dass Deutschland direkt nach Beginn des Krieges Soforthilfe von 185 Millionen Euro bereitgestellt habe. Diese Unterstützung solle nun mit bereits zugesagten 406 Millionen Euro fortgesetzt werden. "Der Schwerpunkt soll auf der Unterstützung innerhalb des Landes geflüchteter Familien liegen, sagte Schulze.
Schmyhal will Kampfpanzer von Deutschland
Schmyhal hatte vor seiner Ankunft in Berlin in einem dpa-Interview auch weitere Waffenlieferungen von Deutschland gefordert. "Es sollten auch moderne Kampfpanzer geliefert werden." Aus Deutschland wünsche er sich Leopard 2 und aus den USA Abrams-Panzer. "Das sind die modernen Panzer, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld braucht." Scholz hat die Lieferung von Kampfpanzern bisher abgelehnt.
Den Export von Strom aus der Ukraine wollte der ukrainische Ministerpräsident nicht nur in Berlin, sondern auch bei einem für Montag geplanten Besuch in Brüssel thematisieren. Parallel zum russischen Einmarsch Ende Februar hatte die Ukraine sich zusammen mit dem Nachbarland Moldau vom ehemals sowjetischen Stromnetz abgekoppelt. Mitte März erfolgte die Synchronisierung mit dem europäischen Netzwerk.
Ukraine hofft auf Devisen für Stromexporte
Seitdem exportiert das Land täglich zwischen 400 und 700 Megawattstunden Strom in die Europäische Union und nach Moldau. Schmyhal will die Exportquoten für die EU nun um ein Vielfaches erhöhen. "Das wäre für beide Seiten sehr gut. Die EU bekäme mehr Energie und wir (bekämen) die Devisen, die wir dringend benötigen", sagte der Ministerpräsident.
Die Ukraine ist eines der am stärksten von Atomenergie abhängigen Länder der Welt, ihr Anteil an der Stromproduktion beträgt nach Angaben des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung mehr als 50 Prozent. Derzeit befinden sich in der Ukraine vier Atomkraftwerke in Betrieb, darunter Europas grösstes Atomkraftwerk in Saporischschja. Sechs Blöcke in Saporischschja in Enerhodar befinden sich allerdings seit März unter russischer Kontrolle. Die internationale Gemeinschaft ist in grosser Sorge, dass Kriegshandlungen in der Nähe zu einem Atomunfall führen könnten.
Mit dem russischen Einmarsch ist aufgrund der Kämpfe, der Fluchtbewegung und des Wirtschaftseinbruchs auch der Stromverbrauch in der Ukraine massiv zurückgegangen. Damit wurden Kapazitäten für den Export frei.
Nachfolger von Botschafter Melnyk benannt
Unmittelbar vor dem Besuch Schmyhals wurde eine Personalentscheidung bekannt, über die schon seit längerem spekuliert wurde. Die Ukraine benannte offiziell den Nachfolger des derzeitigen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk. Der Top-Diplomat Olexij Makejew, derzeit Sanktionsbeauftragter der Regierung in Kiew, soll den Posten übernehmen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe seine Zustimmung zur Nominierung des derzeitigen Sanktionsbeauftragten der Regierung in Kiew für den Posten gegeben, teilte das Auswärtige Amt am Samstag mit.
Melnyk wird am 14. Oktober Berlin verlassen, um einen neuen Posten im Aussenministerium in der ukrainischen Hauptstadt zu übernehmen - wahrscheinlich wird er einer von mehreren Vizeaussenministern. Schon kurz danach wird der 1975 geborene Diplomat Makejew in Berlin erwartet. Er spricht wie Melnyk sehr gut Deutsch und war in früheren Jahren schon einmal an der Botschaft in Berlin tätig. 2014 machte der damalige Aussenminister Pawlo Klimkin ihn zu seinem politischen Direktor, 2020 wurde er dann zum Sonderbeauftragten für die Sanktionen gegen Russland ernannt./mfi/DP/mis
(AWP)