Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid mit 27 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung. Vor der Detailberatung geht das Geschäft zurück an die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S). Grund ist, dass eine hauchdünne Mehrheit der SPK-S sich nach der Vorberatung gegen die Umsetzungsvorlage ausgesprochen hatte. Dies kam einem Antrag auf Nichteintreten gleich.
"Demokratiepolitisch bedauerlich"
Der Rat hiess dagegen einen Einzelantrag von Marco Chiesa (SVP/TI) auf Eintreten gut. Die Befürworter einer Regelung auf Bundesebene argumentierten insbesondere, nur auf diese Weise sei sichergestellt, dass der Volkswille respektiert werde.
Eine Regelung auf Bundesebene werde von den Kantonen einhellig gewünscht, sagte Chiesa. Die vom Stimmvolk gewollte Einheitlichkeit sei anders nicht zu erreichen.
Einige Kantone hätten die Volksinitiative abgelehnt, gab der SVP-Präsident zu bedenken. Es bestehe die Gefahr, dass dort Umsetzungsvorlagen erfolgreich per Referendum bekämpft würden.
Unterstützung erhielt Chiesa von Thomas Minder (parteilos/SH). Erneut diskutiere man darüber, ob eine angenommene Volksinitiative überhaupt umgesetzt werde. Das sei demokratiepolitisch bedauerlich. "Legen wir die Sache in die Hände der Kantone, wird in Genf nichts unternommen."
Hannes Germann (SVP/SH) warnte davor, das inhaltliche Problem hinter der Debatte zu verharmlosen. Er verwies auf die aktuellen Proteste von Frauen im Iran gegen repressive Kleidervorschriften.
Die Kommissionsmehrheit sah das Hauptziel des Verfassungsartikels nicht in der Bestrafung, sondern in der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und im weiteren Sinne des Zusammenlebens. Entsprechend seien die Kantone zuständig, denen der Erlass von Regeln zur Nutzung des öffentlichen Grunds obliege, argumentierte sie.
Warnung vor Aushöhlung des Föderalismus
Auf der alleinigen Tatsache, dass es um eine Bestimmung in der Bundesverfassung gehe, lasse sich keine Zuständigkeit des Bundes begründen, sagte Kommissionspräsident Mathias Zopfi (Grüne/GL). Er warnte vor einer Aushöhlung der föderalistischen Kompetenzaufteilung.
Die Frage, auf welcher Staatsebene das Volksbegehren umgesetzt werden soll, war schon im Abstimmungskampf zur Burka-Initiative ein Thema. Der Bundesrat sah ursprünglich die Kantone in der Pflicht. Diese baten jedoch um eine nationale Regelung. Dies mit der Begründung, es gelte, einen regulatorischen Flickenteppich zu vermeiden.
Zopfi vertrat dagegen die Ansicht, das Verhüllungsverbot könne problemlos in kantonalen Gesetzen umgesetzt werden. So sei etwa auch das ungleich komplexere Baurecht kantonal geregelt. "Der Föderalismus ist kein Wunschkonzert", fand auch Andrea Caroni (FDP/AR).
Ausnahme für die Fasnacht
Volk und Stände hatten die Volksinitiative "Ja zum Verhüllungsverbot" im März 2021 gutgeheissen. Die Umsetzungsvorlage des Bundesrats sieht Bussen von höchstens tausend Franken für verbotenes Verhüllen des Gesichts vor.
Zudem sollen zahlreiche Ausnahmen gelten. Erlaubt bleiben soll die Gesichtsverhüllung etwa in Gotteshäusern, an der Fasnacht, aus Gesundheitsgründen oder bei Demonstrationen, sofern eine Verhüllung zum Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit nötig ist.
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider betonte in der Debatte, in letzterem Fall sei eine Bewilligungspflicht vorgesehen. Es sei also nicht ins Ermessen Demonstrierender gestellt, ob eine Verhüllung des Gesichts zulässig sei.
Bereits heute kennen nach Angaben des Bundes 15 Kantone Vermummungsverbote. Diese richten sich etwa gegen Hooligans oder gewalttätige Demonstranten. Die Kantone Tessin und St. Gallen erliessen schon vor der nationalen Abstimmung 2021 Verhüllungsverbote im Sinne der Burka-Initiative.
(AWP)