Unterdessen plant die Ukraine ihre nächsten Schritte bei der Verteidigung des Donbass und der Stadt Bachmut. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch, darüber habe er mit Militär und Geheimdienst gesprochen. "Die Frontlinie, unsere Verteidigung, der Kampf um Bachmut und den gesamten Donbass. Das ist die oberste Priorität." Details nannte er indes nicht.
Der Präsident appellierte an den Gemeinschaftsgeist der Ukrainer und Ukrainerinnen im Kampf. "Es ist sehr wichtig, dass die Frontlinie keine Linie auf der Landkarte ist. Es sind Menschen, es ist Widerstandsfähigkeit, es ist Kampfbereitschaft, es ist gegenseitige Unterstützung, es ist gegenseitige Hilfe", sagte Selenskyj.
Der polnische Präsident Andrezj Duda bekräftigte die Bereitschaft seines Landes, der Ukraine Kampfjets vom sowjetischen Typ MiG-29 abzutreten.
Ist der lange Kampf um Bachmut schon ein Sieg?
Der ukrainische Generalstab berichtete am Mittwochabend von fortgesetzten russischen Angriffen an allen Abschnitten der Front, vor allem im Industrie- und Kohlerevier Donbass im Osten. Auch die fast eingeschlossene Stadt Bachmut werde weiter angegriffen. Die russische Seite setzt dort neben der regulären Armee auch die private Söldnertruppe Wagner ein. Im Raum steht immer wieder ein taktischer Rückzug der bedrängten Ukrainer aus der Stadt. Allerdings hat die Kiewer Führung beschlossen, Bachmut weiter zu verteidigen.
Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar bezeichnete das Ausharren der ukrainischen Truppen in Bachmut als Erfolg. "Alle wollen Nachrichten von befreiten Gebieten, und das wird als Sieg bezeichnet. Doch ist es bereits ein Sieg, dass unsere tapferen Soldaten monatelang den Feind und die stärksten und professionellsten Wagner-Einheiten dort vernichtet haben", sagte Maljar im Fernsehen. Es sei auch ein Erfolg, dass eine grosse Anzahl feindlicher Kräfte gebunden und damit das Offensivpotenzial des Gegners gesenkt werde. "Das heisst, man muss eben an dieser Stelle (weiter) verteidigen", sagte Maljar zum Festhalten der Militärführung an Bachmut.
Selenskyj: Bachmut hat entscheidende strategische Bedeutung
Der ukrainische Präsident Selenskyj verteidigte die Entscheidung, seine Truppen weiter in Bachmut zu lassen. In Russlands Krieg gegen sein Land sei Bachmut von entscheidender strategischer Bedeutung, sagte Selenskyj am Mittwochabend (Ortszeit) in einem exklusiven Interview des US-Fernsehsenders CNN. "Nach Bachmut könnten sie weitergehen. Sie könnten nach Kramatorsk gehen, nach Slowjansk", sagte Selenskyj mit Blick auf die russischen Angreifer. Sollte Bachmut fallen, sei den Russen der Weg in andere Landesteile offen, sagte Selenskyj. "Deswegen stehen unsere Jungs dort."
US-Geheimdienste: Putin spielt auf Zeit
In den USA erwarten Geheimdienste, dass Putin sich auf einen längeren Krieg gegen die Ukraine einrichtet. "Wir gehen nicht davon aus, dass sich das russische Militär in diesem Jahr ausreichend erholt, um grössere Gebietsgewinne zu erzielen", sagte Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines bei einer Anhörung im Senat in Washington. Die Verlängerung des Krieges einschliesslich möglicher Kampfpausen könnte sein bester verbleibender Weg sein, um die russischen strategischen Interessen in der Ukraine zu sichern - selbst wenn dies Jahre dauere.
Ukraine hält Strommangel für überwunden
Die Ukraine sieht ihre Schwierigkeiten bei der Stromversorgung vorerst überwunden - falls nicht neue russische Angriffe das System beschädigen. In den vergangenen 25 Tagen habe es keinen Strommangel mehr gegeben, und es sei auch kein Defizit abzusehen. Das sagte der Chef des Versorgers Ukrenerho, Wolodymyr Kudryzkyj. "Der härteste Winter in unserer Geschichte ist vorbei", sagte er in Kiew.
Russland hatte seit dem vergangenen Oktober immer wieder Raketen abgefeuert, um gezielt die Strom- und Wärmeversorgung der Ukraine zu zerstören. Das führte in allen Landesteilen zu stunden- und tageweisen Ausfällen von Strom, Fernwärme und Wasser. Allerdings gelang es den Ukrainern immer wieder, das kaputte Netz zu flicken. In der Nacht zum Donnerstag wurde über Teilen der Ostukraine wieder zeitweise Luftalarm wegen befürchteter Angriffe ausgelöst.
Polen bietet der Ukraine seine MiG-29 an
Die Diskussion über die polnischen MiG-29 kam schon vergangenes Jahr kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine auf. Nach Angaben polnischer Militärexperten hat das Land noch etwa 30 Maschinen dieses Typs im Einsatz. Viele stammen aus alten DDR-Beständen. "Wir sind bereit, diese Flugzeuge zu liefern, und ich bin sicher, dass die Ukraine bereit wäre, sie sofort einzusetzen", sagte Präsident Duda dem US-Sender CNN. Nötig sei eine internationale Abstimmung, zu der er sich aber nicht im Detail äusserte. Für die Zukunft sei es ausserdem wichtig, mehr ukrainische Piloten auf US-Kampfflugzeugen F-16 auszubilden, sagte Duda bei einem Besuch in Abu Dhabi.
Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Nato-Entscheidung als Voraussetzung genannt. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, sein Land werde andere nicht abhalten, Kampfjets zu liefern.
Das wird am Donnerstag wichtig
In Brüssel soll es weitere Gespräche zwischen der Türkei und den nordischen Ländern Finnland und Schweden über deren Nato-Beitritt geben. Die Türkei blockiert das Verfahren. Sie wirft vor allem Schweden vor, nicht konsequent genug gegen Menschen und Organisationen vorzugehen, die Ankara als terroristisch einstuft. Finnland und Schweden hatten unter dem Eindruck der russischen Invasion in die Ukraine beschlossen, dem westlichen Verteidigungspakt beizutreten. Ihnen fehlt auch noch die Zustimmung aus Ungarn.
Zudem dürfte nach neuen Presseberichten das Rätselraten um den Anschlag auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 vom September 2022 weitergehen. Deutsche Ermittler haben nach eigenen Angaben das Schiff identifiziert, von dem aus die Anschläge mutmasslich verübt wurden. Den Presseberichten zufolge könnte die Spur über die Charterer des Schiffes zu pro-ukrainischen Gruppen reichen. Die Ukraine dementiert aber eine Beteiligung. Vertreter anderer Staaten halten sich mit Vermutungen zum Hintergrund bedeckt./fko/DP/zb
(AWP)
1 Kommentar
Dass von den Wagner-Söldnern keiner mehr übrig bleibt war bisher nur das Ziel der Ukrainer. Inzwischen auch das Ziel von V. Putin. Die Wagner-Söldner sind für V. Putin nämlich zu mächtig geworden. Jetzt folgt die Entmachtung.