Am Mittwoch schaltete sich der frühere US-Präsident Donald Trump ein und rief seine Parteikollegen auf, einen Gesichtsverlust zu vermeiden und McCarthy auf den Chefposten zu wählen. Es war aber völlig unklar, ob es gelingen würde, die parteiinternen Rebellen umzustimmen.
Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit.
Der erbitterte interne Kampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus überschattete den Auftakt in eine neue Legislaturperiode. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt.
Angesichts einer knappen Mehrheit ist McCarthy in der Kammer auf fast jede Stimme angewiesen. Wenn alle Abgeordneten anwesend sind und abstimmen, benötigt er 218 Stimmen. In den ersten beiden Anläufen fielen nur 203 auf ihn - bei der dritten sogar nur noch 202. Damit holte er weniger Stimmen als sein demokratischer Konkurrent Hakeem Jeffries. Der Fraktionschef der Demokraten wurde von seiner Partei für den Posten nominiert. Es gilt aber als ausgeschlossen, dass er das Rennen macht. Dafür würde er Stimmen der Republikaner benötigen, denn die Demokraten sind in der Kammer die kleinere Fraktion. Republikanische Abgeordnete sprachen nach den Wahlgängen von "Chaos".
Der Widerstand gegen McCarthy kommt vom rechten Rand der Fraktion. Trump versuchte am Mittwoch, den Abweichlern ins Gewissen zu reden. Auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social schrieb der Ex-Präsident: "Gestern Abend fanden einige wirklich gute Gespräche statt, und jetzt ist es an der Zeit, dass alle unsere grossartigen republikanischen Abgeordneten für Kevin stimmen." Er appellierte an seine Parteikollegen: "Verwandelt einen grossen Triumph nicht in eine riesige und peinliche Niederlage." McCarthy werde einen guten Job machen, "und vielleicht sogar einen grossartigen".
Trump hatte McCarthy bereits vor der Wahl seine Unterstützung ausgesprochen, was den Feldzug gegen diesen aber nicht verhinderte. Am Dienstagabend nach dem Wahlchaos im Kongress hatte Trump dem Nachrichtensender NBC auf die Frage, ob er McCarthy weiter unterstütze, lediglich schmallippig geantwortet: "Wir werden sehen, was passiert." Nun folgte seine klare Ansage zugunsten McCarthys.
Es war trotzdem völlig offen, ob McCarthys Gegner einlenken könnten - und ob die Abgeordneten, die bisher loyal hinter dem 57-Jährigen standen, dies auch weiterhin tun werden. McCarthy hatte sich kurz vor der Sitzung kämpferisch gegeben und gesagt, er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
Möglich ist auch, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich möglicherweise eine Mehrheit der Republikaner verständigen kann. Ein Name, der dabei immer wieder genannt wird, ist Steve Scalise. Der Republikaner gehört zur Führungsriege der Partei. Er hatte sich am Dienstag hinter McCarthy gestellt. Genannt wird ebenfalls Elise Stefanik. Sie wurde 2014 als damals jüngste Frau ins Repräsentantenhaus gewählt und galt als moderat. Mittlerweile zählt sie zu den eisernen Unterstützerinnen von Trump.
Die rechten Trump-Anhänger in der Fraktion der Republikaner bevorzugen allerdings den Abgeordneten Jim Jordan. Er stand bereits am Dienstag zur Wahl und luchste McCarthy Stimmen ab. Jordan betonte nach dem Debakel bei der Abstimmung, er selbst wolle gar nicht Vorsitzender des Repräsentantenhauses werden. Der Rechtsaussen dürfte auch für viele in der Partei kein tragbarer Kompromisskandidat sein./jac/DP/ngu
(AWP)