Dieser Beitrag ist Teil des am 1. Februar 2017 erschienenen Anlegermagazins «VALUE» von cash. Sie können das Magazin als E-Paper lesen, als PDF herunterladen oder gratis als gedruckte Ausgabe bestellen. |
cash VALUE: Herr Scognamiglio*, seit der Jahrtausendwende sind die Immobilienpreise in der Schweiz stark angestiegen. Die Bewertungen sind nun vergleichbar mit dem Stand Ende der 1980er-Jahre, kurz vor der letzten grossen Immobilienkrise. Ein Alarmzeichen?
Donato Scognamiglio: Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren tatsächlich stark angestiegen. Stärker etwa als das Einkommen der Schweizer Bevölkerung. Und es gibt weitere Risiken: die zunehmenden Leerstände, die zurückgehende Zuwanderung und die Unsicherheiten bei der Zinsentwicklung nach der Wahl von Donald Trump. Es muss nicht schiefgehen am Immobilienmarkt, aber es kann schiefgehen. Und wenn es zum Crash kommen sollte, sind die Folgen wahrscheinlich grösser als bei der letzten Immobilienkrise.
Was würde diesen Crash denn schlimmer machen?
Die Risiken sind heute grösser, weil viel mehr Geld einbezogen ist. Die Schweiz weist ein Bruttoinlandprodukt von 650 Milliarden Franken auf und gleichzeitig Hypothekarforderungen von fast 1000 Milliarden Franken. Zu Beginn der 1970er-Jahre lag die Verschuldung pro Kopf noch bei rund 10 000 Franken, heute sind es zirka 120 000 Franken. Und all dieses Geld ist in Immobilien parkiert.
Welche Folgen hätten günstigere Immobilienpreise?
Tritt eine Preisreduktion ein, ist das Eigenkapital einiger Privathaushalte gefährdet. Es sind nicht zuerst Banken, die Geld verlieren. Es sind Private mit einer hohen Verschuldung. Das geht oftmals vergessen.
Können Sie das etwas genauer erklären?
Viele Eigentümer haben in den letzten Jahren zu hohen Preisen eine Immobilie mit einer Fixhypothek erworben. Da diese fix ist, gehen die Eigentümer davon aus, dass nichts passieren kann. Das muss aber nicht so sein. Käme es zu einem starken Fall der Immobilienpreise, wäre das Verhältnis der Hypothek zum Immobilienwert in einigen Fällen plötzlich über 80 Prozent. Finanzinstitute könnten eine zusätzliche Amortisation verlangen. Viele Eigenheimbesitzer würden sich diese zusätzliche Amortisation gar nicht leisten können.
Auch Pensionskassen investieren stark in Immobilien …
Mangels Anlagemöglichkeiten kaufen einige institutionelle Anleger Liegenschaften an guten Lagen heute zu sehr tiefen Bruttorenditen von drei Prozent oder weniger. Drei Prozent Bruttorendite durch eine Immobilie sind für diese Anleger aktuell immer noch besser als die minus 0,75 bei der Schweizerischen Nationalbank.
Setzt die Politik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) falsche Anreize?
Die Negativzinspolitik der SNB hat den ganz wesentlichen Nachteil, dass sie zu einer Fehlallokation von Investitionen gigantischen Ausmasses führt. Anleger treffen Anlageentscheide, welche sie unter normalen Zinsumständen nie getroffen hätten.
Aber was ist schlimm daran, wenn mehr in Immobilien investiert wird?
Wenn jemand mangels Alternativen eine Person heiratet, wäre das eine instabile Geschichte. Das Gleiche gilt für Immobilien: Wenn alle nur mangels Anlagealternativen in Immobilien investieren, werden sie die Objekte verkaufen wollen, sobald andere Anlageklassen wieder mehr als Immobilien rentieren. Dann wird es Korrekturen geben, insbesondere deshalb, weil Immobilien illiquide sind und ein rascher Ausstieg ohne Preisnachlass kaum möglich ist.
Ein Zinsanstieg könnte andere Anlageklassen attraktiver machen. Kommt er?
Die Immobilienbranche geht davon aus, dass die Zinsen weiterhin tief bleiben. Die Geschichte lehrt uns aber, dass innert kürzester Zeit Unerwartetes passieren kann. Zinsanstiege kamen in der Vergangenheit immer sehr schnell. Plötzlich kann es zwei Prozent nach oben gehen.
Wie gross schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass es in der Schweiz zum grossen Knall kommt?
Ich denke, wir werden mittelfristig eine grössere Korrektur erleben.
Wie können sich Eigenheimbesitzer denn vor einem Knall schützen?
Als Immobilienbesitzer muss man sich sagen können: «Ich habe stets amortisiert, ich besitze genügend Eigenmittel, und die Tragbarkeit ist auch noch bei einem Zins von vier bis fünf Prozent gegeben.» So muss man sich kurzfristig kaum Sorgen machen.
Was könnte den raschen Zinsanstieg auslösen?
US-Präsident Donald Trump wird wohl die Steuern senken, Jobs generieren und Geld in die Infrastruktur stecken. Die US-Schulden wird er damit nicht senken können. Das alles wird tendenziell zu einer höheren Inflation führen, und die höhere Inflation wiederum zu steigenden Zinsen. Wieso soll ich dann mein Geld noch zu null Prozent bei einer Schweizer Bank halten, wenn ich in den USA plötzlich vier Prozent habe? Es wird also grosse Verschiebungen geben.
Was würde dies für die Schweiz bedeuten?
Der Druck ginge etwas weg vom Schweizer Franken. Aus Sicht der SNB ist das ein interessantes Szenario. Erholt sich dazu Europa noch etwas, kann die SNB auf den Devisenreserven beachtliche Gewinne einfahren. Die Schweiz würde aus dem Negativzinsumfeld herauskommen. Alles in allem könnte dies gar zu einer sanften Landung am Immobilienmarkt führen.
Und das düstere Szenario?
Mehr Sorgen würde mir ein «Japan-Szenario» machen, mit Negativzinsen in den nächsten zehn Jahren, welche die SNB gar auf minus ein Prozent ausweitet. Die Immobilien wären noch attraktiver und teurer, die Risiken einer Korrektur noch grösser.
Würden Sie derzeit noch ein Eigenheim kaufen?
Ja. Wenn ich ein passendes Objekt gefunden habe, spielt es keine grosse Rolle, ob der Marktwert morgen drei Prozent tiefer ist oder nicht. Es wurde schliesslich nicht gekauft, um es gleich wieder zu veräussern. Eigenheimbesitzer wollen sicherlich 20 oder mehr Jahre darin wohnen. Im Luxusbereich würde ich aber vorsichtig sein. Dort gibt es bereits ziemliche Korrekturen.
Was raten Sie bezüglich Anlageobjekten?
Das hängt vom Preis ab. Aber wer ein Grundstück günstig bekommt, ein Mehrfamilienhaus baut und stabile Mieten einnimmt, hat vom Cashflow her praktisch eine Obligation. Aber das Risiko der Wertveränderung bleibt natürlich.
Welches Preissegment ist am lukrativsten als Anlage?
Ich würde in günstige Wohnsegmente investieren. Das freut die Mieter und vermeidet Leerstände. Und in einigen Jahren können dann die Mieten leicht nach oben angepasst werden, wenn der Referenzzinssatz wieder ansteigt.
Wo wird der Schweizer Immobilienmarkt in fünf Jahren stehen?
Ich gehe von einem Zinsanstieg in den nächsten fünf Jahren aus, verbunden mit Preiskorrekturen am Markt für Renditeobjekte. Wir werden zudem bei Luxusobjekten und grossen Einfamilienhäusern weitere Preiskorrekturen erleben. Weiter gefragt werden hingegen kleinere Eigentumswohnungen sein, da diese noch eher bezahlbar sind.
*Donato Scognamiglio (geboren 1970) gilt als bekanntester Immobilienexperte der Schweiz. Er ist CEO und Mitinhaber der Immobilienberatungsfirma IAZI in Zürich sowie Dozent und Titularprofessor an der Universität Bern. Scognamiglio studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Bern und Rochester (USA) sowie Statistik an der ETH Zürich. Er ist vom Bundesrat gewählter Verwaltungsrat bei der Pfandbriefbank.