Als JPMorgan ein Team von etwa 15 in London ansässigen Aktienderivatehändlern bat, nach Paris zu ziehen, kam das nicht gut an. Fast die Hälfte von ihnen entschied sich, zu kündigen. Einige wollten damit einen Umzug vermeiden.
Andere internationale Investmentbanken hatten informierten Kreisen zufolge mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Goldman Sachs und Nomura Holdings hatten es den Angaben zufolge schwer, einige Händler davon zu überzeugen, London zu verlassen.
"Ich habe einige Fälle von Leuten, die auf den Kontinent ziehen und wirklich nicht glücklich sind", sagte Stephane Rambosson, Mitbegründer der Londoner Personalberatung Vici Advisory.
Besonders Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern sind zögerlich beim Umzug, wie zu hören ist. Andere Sorgen betreffen die Karrieremöglichkeiten, die Bezahlung und die - zumindest derzeit noch - geringere Grösse anderer Finanzzentren. Sprecher von Goldman Sachs, JPMorgan und Nomura lehnten Stellungnahmen ab.
Branche steht vor einem Problem
Was auch immer die Gründe sein mögen: Der Widerstand einiger, London zu verlassen, stellt die Branche vor ein Problem - und das zu einer Zeit, in der die Banken unter zunehmendem Druck stehen, ihre Mitarbeiter nach dem Brexit in die EU zu entsenden.
Die Europäische Union beharrt darauf, dass in den kommenden Jahren mehr Vermögenswerte, Menschen und Geschäfte aus der Londoner City abwandern müssen. Globale Banken müssen die konkurrierenden Anforderungen der Regulierungsbehörden sowie ihre eigenen geschäftlichen Bedürfnisse bewältigen, ohne dabei Mitarbeiter zu verprellen, die sie versetzen wollen.
Aufsichtsbehörden wie die Europäische Zentralbank drängen die Kreditinstitute dazu, die mit EU-Kunden verbundenen Risiken innerhalb des Blocks zu steuern. Um den Druck zu erhöhen, hat die EZB eine detaillierte Überprüfung des Risikomanagements jeder Bank in der EU eingeleitet, wie Bloomberg News berichtete.
Während London bei weitem das grösste Finanzzentrum Europas bleibt, suchen die Banken zunehmend nach Möglichkeiten, ihre Aktivitäten anderswo zu verstärken. Der neue Frankreich-Chef von Morgan Stanley sagte der französischen Tageszeitung Les Echos im April, die Grösse des Pariser Büros werde sich in den nächsten zweieinhalb Jahren auf etwa 300 Mitarbeiter verdoppeln.
Die Deutsche Bank beschloss unlängst, etwa 100 Arbeitsplätze in ihrer Firmenkundenabteilung von London an kostengünstigere Standorte wie Frankfurt und Dublin zu verlegen. Die Mitarbeiter können zwar mit ihrem Arbeitsplatz umziehen, müssen aber eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen.
Frankfurt ist unbeliebt
Besonders schwer zu verkaufen - laut Interviews mit einem halben Dutzend Bankern und Führungskräften - ist der Umzug nach Frankfurt, und das obwohl Institute wie Goldman, JPMorgan und Nomura ihre EU-Hubs in der deutschen Finanzmetropole eingerichtet haben. Einige Nomura-Händler hätten den Wunsch geäussert, lieber nach Mailand oder Paris umzuziehen.
Die mangelnde Bereitschaft einiger Händler, ihre Wurzeln zu kappen und aus London wegzuziehen, steht im Gegensatz zu der Leichtigkeit, mit der Vermögenswerte seit dem Brexit umgeschichtet wurden. JPMorgan hat im vergangenen Jahr Assets von 200 Milliarden Euro nach Frankfurt verlagert und ein ähnlicher Betrag soll 2021 folgen. Auch der Aktienhandel hat sich von Londoner Handelsplätzen an EU-Standorte verlagert.
Bisher haben diese Verlagerungen weder grosse Veränderungen vor Ort noch Personalwechsel erfordert. Da immer mehr Vermögenswerte und schliesslich auch Menschen umziehen, erwarten einige, dass die Vorbehalte gegen Standortwechsel schwinden werden.
"Das wird sich ändern", sagte der Personalvermittler Rambosson und verwies auf die Attraktivität von Steuererleichterungen, die Länder wie Frankreich und Italien bieten, sowie auf die zunehmende Zahl von Führungspositionen, die in Europa angesiedelt werden. "Heutzutage ist es definitiv möglich, nicht in London ansässig zu sein, ohne dass dies die Karriere behindert."
(Bloomberg)