Die weltgrösste Kryptowährung Bitcoin hat seine Talfahrt wieder aufgenommen, der leichte Aufwärtstrend fand Mitte August sein Ende. Das Allzeithoch vom letzten November, als kurzzeitig fast 69'000 Dollar gezahlt wurden, ist ausser Reichweite. Und vergessen sind die Zeiten, als Bitcoin-Bullen einen Preis von 100'000 Dollar oder mehr prognostizierten. 

Viele Anlegerinnen und Anleger haben in der Zwischenzeit Bitcoin nachgekauft oder werden dies noch tun. Angesichts der Volatilität der Kryptowährung kann man dies mit entsprechendem Risiko tun und auf kurzfristige Gewinne hoffen. Doch es gibt vor allem aus langfristiger Sicht nach wie vor Gründe, warum einem Bitcoin-Kauf ein gesundes Mass an Skepsis entgegengebracht werden muss. 

Bitcoin wurde erfunden, um als dezentrale Währung ausserhalb der Kontrolle des Staates zu dienen. Es gibt die Münzen nur als Bits und Bytes auf einer weltweiten Datenbank, der sogenannten Blockchain. Obwohl wohl die meisten Anlegerinnen und Anleger weder das Konzept der Blockchain noch die dafür notwendige Kryptographie vollständig begreifen, ist Bitcoin im Mainstream angekommen - knapp jeder vierte Schweizer investiert in die Münze. 

Dabei sollte klar sein, dass Bitcoin in der heutigen Form niemals ein gutes Zahlungsmittel sein kann. Nur 4 Transaktionen pro Sekunde sind möglich, Visa erreicht 10'000. Bei der heutigen Annahme von vier Millionen aktiven Bitcoin-Nutzern, wäre eine Zahlung pro Nutzer alle zehn Tage möglich. Zudem verbraucht eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Strom wie ein Haushalt in eineinhalb Monaten. 

Was die Bitcoin-Blockchain hingegen wirklich ermöglicht, ist Dezentralität und die Absenz einer zentralen Autorität - Zentralbanken oder auch Banken werden umgangen. Es stellt einen Gegenentwurf zum heute bestehenden Fiat-Geldsystem dar, das nach der grossen Finanzkrise 2008 stark in Verruf geraten ist. Dieser Umstand macht Bitcoin aber auch für kriminelle Organisationen attraktiv.  

Doch auch dies ist nur die halbe Wahrheit: 0,1 Prozent der Bitcoin-Miner sind für 50 Prozent der Mining-Kapazität verantwortlich. Die "Macht" ist nicht auf Hunderttausende anonymer und unabhängiger Miner verteilt, wie es sich Bitcoin-Gründer Satoshi vorgestellt hat. 

Die als Inflationsschutz gedachte Limitierung der maximal möglichen Bitcoins auf 21 Millionen erfüllt auch nicht seinen Zweck. Erstens zeigen gerade die diesjährig hohe Inflation und der gleichzeitige Absturz bei Bitcoin, dass die hohen Erwartungen nicht getroffen werden. Zweitens verhindert die Limitierung die Zirkulation von Bitcoin, da Anleger die Münzen in Erwartung steigender Kurse lieber langfristig halten. 

Der Wert des Bitcoins beruht wiederum darauf, dass mehr Menschen Geld in das Bitcoin-System investieren als abgezogen wird - letzteres passiert dabei laufend, da die Miner für ihre Dienstleistung bezahlt werden müssen. Wenn aber der Profit eines Investors nur von neuen Investoren abhängt, erinnert dies schwer an ein Schneeballsystem. 

Doch das ist vermutlich zu kurz gegriffen: Das volatile Auf und Ab ähnelt vielmehr, böse gesagt, einem sogenannten "Pump-and-Dump". Dies bezeichnet eine Strategie von Finanzbetrügern, die mehr oder weniger wertlose Aktien erwerben, sie mit erfundenen Geschichten aufwerten und dann weiterverkaufen. Schlussendlich wird hier einfach die Gier der Investoren ausgenutzt - es ist ein Spiel mit der Angst, eine Millionenchance zu verpassen. 

Trotz dieser fehlenden Substanz kann es sich für Anlegerinnen und Anleger lohnen, in der Korrektur einen kleinen Betrag in Bitcoin zu investieren und an der Spekulation teilzuhaben. Bitcoin bietet zwar keine Zahlungsflüsse wie Dividenden und hat deswegen auch keinen inneren Wert. Dies gilt aber auch für Bilder eines Künstlers. Diese können je nach Wahrnehmung sehr wertvoll sein - und langfristig wertlos werden. 

ManuelBoeck
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