Die SVP lehnt die Vorlage für die Individualbesteuerung ab. Die radikale Änderung des Steuersystems schaffe neue Ungleichheiten, schwäche die traditionelle Familie und erhöhe den bürokratischen Aufwand, schreibt sie zum Abschluss der Vernehmlassungsfrist am Donnerstag.
Die Individualbesteuerung bevorteile Zweiverdiener-Ehepaare mit gleichmässiger Einkommensverteilung und benachteilige solche mit deutlich unterschiedlichen Einkommen sowie Einverdiener-Ehepaare.
Auch die Mitte ist gegen das Bundesgesetz. Zwar entfalle die verfassungswidrige Diskriminierung von Ehe- gegenüber Konkubinatspaaren, die Nachteile würden aber überwiegen. Darunter nennt die Partei unter anderem Anreize zur Steuerumgehung. Die Ehe- und Familienbesteuerung brauche eine Anpassung. Diese müsse aber auf Basis der bewährten Gemeinschaftsbesteuerung erfolgen.
Die Grünen begrüssen das Gesetz zwar aus gleichstellungspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht, lehnen es aus finanziellen Gründen in der vorliegenden Form aber ab. Die Mindereinnahmen von einer Milliarde Franken allein bei der direkten Bundessteuer erschwerten die Finanzierung anderer sozial- und gleichstellungspolitischer Anliegen, etwa die Kita-Förderung.
Ähnlich argumentierte die SP: Sie befürworte zwar eine Reform hin zu einer Individualbesteuerung, die vorgeschlagene Revision entlaste aber die hohen Einkommen sehr stark und führe zu "inakzeptablen" Steuerausfällen von einer Milliarde Franken.
Neben der Mehrheit der Parteien kann sich auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) nicht mit der Vorlage anfreunden. Sie verweist auf die erfolgten Korrekturen der Heiratsstrafe auf Kantonsebene. Zudem würden die meisten Kantone die gemeinsame Veranlagung von Ehepartnern vorziehen. Die Individualbesteuerung sei zu kompliziert und zu teuer.
Liberale und Wirtschaft dafür
Die FDP hingegen stellt sich hinter das Gesetz. Es erfülle ein jahrzehntealtes Anliegen der Partei. Einzig eine zivilstandsunabhängige Besteuerung behandle alle Lebensweisen fair und schaffe Arbeitsanreize für Zweitverdienende. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen beiden Varianten für einen Einverdiener-Abzug lehnt die Partei ab. Die Lasten würden auf alle Steuerpflichtigen verteilt, und Nichterwerbstätigkeit werde belohnt.
Das Steuersystem der Schweiz sei veraltet, befindet die GLP. Die Individualbesteuerung räume mit Elementen gegen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf. Gemäss Studien könnten 60'000 Vollzeitäquivalente durch die neue Besteuerung aktiviert werden.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hebt ebenfalls den Beschäftigungseffekt für verheirate Zweitverdienende hervor. Sollte der Bundesrat die "signifikanten finanziellen Konsequenzen" gegebenenfalls durch Steuererhöhungen kompensieren wollen, kündigt der Verband Widerstand an.
Der Schweizerische Arbeitgeberverband nennt neben der Individualbesteuerung den Ausbau der Kinderbetreuung als Faktor gegen den Fachkräftemangel.
Die Arbeitnehmerseite hingegen will nichts wissen vom neuen Steuersystem: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) schreibt, nur Paarhaushalte mit Einkommen über 100'000 Franken würden entlastet, und Steuerausfälle von rund einer Milliarde Franken wären die Folge. Die Erwerbstätigkeit von Frauen werde so nicht gefördert.
(AWP)