Die Wahl des Wohnorts ist wohl eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben. Die Wohnlage, das Infrastrukturangebot, die Verfügbarkeit passender Wohnobjekte und die persönliche Vernetzung spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch schlussendlich ist wohl für viele Menschen die finanzielle Attraktivität bei der Wahl des Lebensmittelpunktes ausschlaggebend – insbesondere in der frühen Phase eines Umsiedlungsentscheides.

Dabei werden bei den steuergünstigen Orten oft die hohen Fixkosten vergessen, sagte Jan Schüpbach, Ökonom bei der Credit Suisse, in seinem Referat an der Schweizer Finanzplaner-Tagung in Zürich am Donnerstag. Obwohl der Kanton Zug zum Beispiel steuerlich attraktiv sei, würden dort die hohen Wohnkosten überwiegen. "In den ländlichen Kantonen bleibt am meisten übrig. In der Regel lohnt es sich, zu pendeln", so Schüpbach. "Die Zentren schliessen schlecht ab."

Die Ökonomen der Credit Suisse haben für über 120’000 Beispielhaushalte in jeder Gemeinde der Schweiz das frei verfügbare Einkommen berechnet. Das ist derjenige Betrag, der vom Haushaltseinkommen nach Abzug aller obligatorischen Abgaben und der Fixkosten für Konsum und das Sparen übrig bleibt. 

Folgende fünf Faktoren beeinflussen das frei verfügbare Einkommen und damit die finanzielle Attraktivität eines Wohnorts massgeblich: Steuerlast, Wohnkosten, Mobilitätskosten, Krankenversicherung, Kinderbetreuungskosten. Kinderzulagen werden ebenso berücksichtigt. Wobei die Ausgaben für die Krankenkasse nach den Steuern am meisten ins Gewicht fallen. Alle fünf Faktoren fliessen in den RDI-Indikator (Regional Disposable Income) ein, der die finanzielle Wohnattraktivität zwischen den Gemeinden vergleichbar macht.

Appenzell Innerrhoden topp, Genf flopp

Ein Durchschnittshaushalt lebt demnach im Kanton Appenzell Innerrhoden am günstigsten, gefolgt von Uri und Glarus. Dabei fallen die geringen Wohnkosten und die attraktive Belastung durch Steuern ins Gewicht. Das Mittelfeld besteht aus einer Reihe unterschiedlich positionierter Kantone mit ländlichem oder suburbanem Charakter. Der steuergünstige Kanton Zug findet sich wie bereits wegen den hohen Wohnkosten auf den hinteren Plätzen wieder.

Das Schlusslicht bilden die städtisch geprägten Kantone Genf und Basel-Stadt. Hohe Wohnkosten gepaart mit einer überdurchschnittlichen Belastung durch Steuern und Krankenkassenprämien machen das Leben an diesen Orten für Durchschnittshaushalte teuer. Ein Erwachsener zahlt in Appenzell Innerrhoden über 3000 Franken tiefere Prämien als in Basel-Stadt.

Aufschlussreich sind auch die Vergleiche für verschiedene Haushaltstypen, sei es für Singles, für kinderlose Ehepaare oder für Familien mit Kindern mit und ohne familienergänzende Kinderbetreuung. Die Kitakosten variieren zwischen den Gemeinden bis zu einem Faktor 5, und bei den Krankenkassen fallen im Maximum 72 Prozent höhere Kosten an. Nicht zuletzt variiert die Attraktivität eines Wohnorts auch abhängig von haushaltsspezifischen Faktoren wie etwa dem Haushaltseinkommen.

Grosse Unterschiede auch auf regionalem Masstab

Wie gross der Unterschied der finanziellen Wohnattraktivität bereits im regionalen Massstab ist, zeigt eine Beispielrechnung: Eine Familie mit zwei Kindern wohnt in Liestal im Kanton Basel-Landschaft in einer 100 Quadratmeter grossen Wohnung. Diese verfügt jährlich über ein Bruttoeinkommen von 86'000 Franken. Der Mann fährt täglich mit dem Zug nach Basel, die Frau arbeitet von zu Hause. Nach Abzug aller Abgaben liegt das verfügbare Einkommen bei 58'700 Franken. Zieht man Miet-, Neben- und Elektrizitätskosten und das ÖV-Abonnement ab, bleiben der Familie 29'400 Franken zur freien Verfügung. 

Würde die Familie in das weniger Kilometer entfernte Kaiseraugust im Kanton Aargau in eine vergleichbare Wohnung ziehen, würde sich das frei verfügbare Einkommen um 8900 Franken erhöhen. Gründe dafür sind primär die günstigere Miete und die tieferen Krankenkassenprämien. Die Mobilitätskosten blieben praktisch unverändert. Auch ein Umzug in die Stadt Basel würde sich nicht auszahlen und zu Mehrkosten führen.

Vergleiche dazu die interaktive Karte auf der Website der Credit Suisse zur finanziellen Attraktivität der Schweizer Gemeinden.

Dieser cash-Artikel erschien zuerst am 04. November 2021.

ManuelBoeck
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