Die Benchmark-Futures fielen in dieser Woche zum ersten Mal seit Juni unter 100 Euro je Megawattstunde, was auf unerwartete Fortschritte bei der Befüllung der Speicher und das milde Wetter zurückzuführen ist. Der Preis lag Ende August noch bei 342 Euro.
Aber die schleppende Weitergabe an die Haushalte und Preiserhöhungen bei einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen bewirken, dass der Druck auf die Haushaltseinkommen anhalten wird. Einer Studie der Europäischen Kommission zufolge werden Änderungen der Grosshandelspreise für Erdgas in der Regel nur teilweise an die Konsumenten weitergegeben.
Es kann bis zu 12 Monate dauern, bis sie sich bemerkbar machen. Ausserdem sind die Gaspreise immer noch etwa dreimal so hoch wie der Durchschnitt in dieser Jahreszeit.
EU will Gaspreis irgendwie deckeln
Die durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine ausgelöste Energiekrise hat zu einem beispiellosen Anstieg der Inflation auf dem gesamten Kontinent geführt, und die Regierungen geben Milliarden von Euro aus, um Privathaushalten und Unternehmen zu helfen, während die Wirtschaft in die Rezession rutscht. Die Energieminister der EU kommen diese Woche zusammen, um weitere Notfallmassnahmen zu erörtern, darunter auch einen Vorschlag für eine vorübergehende Preisobergrenze.
Auch die Währungshüter der Europäischen Zentralbank werden bei ihrem Treffen diese Woche in Frankfurt die neuesten Entwicklungen bei den Energiekosten bewerten. Da jedoch viele von ihnen auf längerfristige Inflationsrisiken hinweisen, wird erwartet, dass sie die Zinssätze auf der zweiten Sitzung in Folge um 75 Basispunkte anheben.
"Langfristig wäre es von Bedeutung, wenn die Preise auf diesem Niveau bleiben. Kurzfristig lassen sich die Bewegungen bei den Marktpreisen jedoch nicht Eins zu Eins in die Gesamtinflation übertragen", so Aila Mihr, Senior Analystin bei der Danske Bank. "Selbst bei diesen Preisen werden die Verbraucher im Winter mit höheren Energierechnungen konfrontiert sein."
Die Gaspreise sind zuletzt auch deshalb gesunken, weil sich die Befürchtungen über Engpässe in diesem Winter zerstreut haben. Vor allem die rasch zunehmenden Lieferungen von Flüssiggas haben die durch den Rückgang der russischen Gaslieferungen entstandene Lücke teilweise wettgemacht, so Bloomberg Economics.
"Die Preise sind gesunken, und wenn das Wetter mild ist, die Konsumenten dem Aufruf folgen, den Energieverbrauch einzuschränken, und einige der schlechtesten Ergebnisse aus den Märkten herausgepreist werden, könnte Europa von einem weiteren Rückgang der Energiekosten profitieren", schreiben Maeva Cousin und Jamie Rush von Bloomberg Economics. "Das könnte bedeuten, dass eine Rezession vermieden wird, die Inflation früher als erwartet zurückgeht und die Europäische Zentralbank von schmerzhaften Zinserhöhungen Abstand nehmen kann."
Ansteig der Heiznachfrage verzögert sich
Angesichts der ungewöhnlich hohen Temperaturen in Europa, die den saisonalen Anstieg der Heizungsnachfrage verzögern, könnten die Preise in den kommenden Tagen sogar noch weiter fallen.
Freilich kann sich das jederzeit wieder ändern, wenn die kalte Jahreszeit doch Einzug hält. Die Terminpreiskurve deutet immer noch auf einen sprunghaften Anstieg der Gaspreise in den kommenden Monaten hin. Europa könnte Probleme haben, seine Speicher im nächsten Sommer ohne russisches Gas wieder aufzufüllen, während sich der Wettbewerb um Flüssiggas mit China - das sich von den Covid-Lockdowns erholt hat - verschärfen könnte.
Das bedeutet lang anhaltende Spannungen und im Vergleich zu historischen Niveaus erhöhte Preise, bis eine neue Welle von LNG-Anlagen in Betrieb genommen wird und die globale Versorgungsknappheit nachlässt. "Wenn die Temperaturen zu sinken beginnen und die Speicher geleert werden, wird die Marktrealität des Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage zu höheren Preisen führen, was sich in weiterem Inflationsdruck niederschlägt", so Katja Yafimava, Senior Research Fellow am Oxford Institute for Energy Studies. "Es gibt keinen Grund zu erwarten, dass die Terminkurve nach unten geht."
(Bloomberg)