Sie muss aufdecken, welche ihrer großzügigen Wahlversprechen sie umsetzen und vor allem wie sie diese finanzieren will. Der 27. September ist Stichtag für die Übermittlung der Eckdaten zur Etatplanung an die EU-Kommission. Die vollständigen Pläne müssen Mitte Oktober in Brüssel eingehen.

Rot im Kalender angestrichen ist zudem der 13. September, wenn die Europäische Zentralbank voraussichtlich das Ende ihres Anleihenkaufprogramms für 2019 einläuten wird. Bisher hat die EZB Italien in den vergangenen Jahre damit eine Atempause am Markt verschafft. Doch ohne die bisherige Unterstützung und mit einem möglichen EU-Defizitverfahren am Hals, könnte es für die Regierung ungemütlich werden.

"Im schlimmsten Fall hat Italien das Potenzial, die Euro-Zone in eine neue Krise zu reißen", urteilt Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Wie nervös die Investoren sind, zeigt sich vor allem an der Entwicklung der zehnjährigen italienischen Bond-Rendite, die kürzlich auf ein Drei-Monats-Hoch von 3,251 Prozent kletterte. Seit dem Frühjahr hat sich der Risikoaufschlag zu den deutschen Staatsanleihen mehr als verdoppelt.

"Man kann ein bis zwei Jahre Party feiern"

Italien steht unter verschärfter Beobachtung der Anleger, da es nach Griechenland die zweithöchste Staatsverschuldung aller Staaten der Euro-Zone aufweist. Und die Banken des Landes sitzen zehn Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise noch immer auf einem Berg fauler Kredite, auch wenn das Volumen zuletzt mit rund 41 Milliarden Euro auf den niedrigsten Stand seit 2010 gefallen ist.

Deutschland fordert gebetsmühlenartig einen weiteren Abbau, um das Risiko in der EU-Bankenlandschaft zu verringern. Für die Bundesregierung ist die Risikoreduzierung Voraussetzung dafür, einer EU-Einlagensicherung zuzustimmen. Nach einer raschen Einführung sieht es - zur Beruhigung deutscher Banken - auch wegen der Finanzprobleme in Italien derzeit aber nicht aus.

Denn das Regierungsgespann aus rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung hat im Wahlkampf eine Senkung des Renteneintrittsalters und Steuererleichterungen versprochen - zudem ein "Bürgereinkommen", das armen Italienern eine Grundsicherung von bis zu 780 Euro garantieren soll: "Beide Regierungsparteien sind bereit, kräftig Geld auszugeben. Man kann ein bis zwei Jahre Party feiern, doch dann kommt der große Kater", so LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert.

Rom von der EU-Kommission ermahnt

Expertin Caroline Kanter von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung sieht eine Finanzierungslücke von mindestens 20 Milliarden Euro. "Es ist unklar, wie die Regierung diese schließen will, ohne das Staatsdefizit weiter auszubauen, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen und die teuren Wahlversprechen zu verwirklichen." Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer schätzt, dass die Wahlversprechen das Land noch tiefer in die roten Zahlen treiben: "Sie würden den bereits mit einem hohen Schuldenberg von etwa 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belasteten Staat insgesamt über 100 Milliarden Euro, also knapp sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes, kosten."

Der Fünf-Sterne-Politiker Sergio Battelli, der im Abgeordnetenhaus in Rom den Europa-Ausschuss führt, hält solche Summen für zu hoch gegriffen. Die Kosten für die vorgesehene Unterstützung von Sozialschwachen beziffert er auf neun Milliarden Euro. "In jedem Fall wird dies kein Betrag sein, der nicht nachhaltig ist für Italien und unseren Haushalt", sagte er vor Journalisten in Berlin.

Rom wurde von der EU-Kommission bereits ermahnt, den hohen Schuldenstand einzudämmen und das Budgetdefizit zurückzufahren. Der Fehlbetrag werde knapp unter der von der EU gesetzten Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung bleiben, beteuerte Vize-Ministerpräsident und Lega-Chef Matteo Salvini jüngst. Ökonom Krämer geht jedoch davon aus, dass dies nur die halbe Wahrheit ist: "Um den Konflikt zu entschärfen, wird man den Haushaltsentwurf etwas aufhübschen, so dass eine Zwei vor dem Komma stehen wird." Er rechne aber damit, dass in der Realität eine Vier herauskommen werde.

"Unsolide Haushaltspolitik und chronische Wachstumsschwäche"

Dafür spricht aus Sicht mancher Experten auch, dass Rom beim Etatentwurf mit Blick auf das zu erwartende Wirtschaftswachstum zu optimistische Zahlen für 2019 ansetzt: Während die Regierung ein Plus beim BIP von ungefähr 1,5 Prozent veranschlagen dürfte, erwartet die Commerzbank nur etwas mehr als ein Prozent. BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels befürchtet, dass Italien den Anlegern 2019 den Puls hochtreiben wird: "Die Kombination aus unsolider Haushaltspolitik und der chronischen Wachstumsschwäche könnte dann zu einem großen Marktthema werden."

Doch auch wenn in Rom letztlich die Defizit-Latte gerissen werde, kann Italien in Brüssel mit Milde rechnen, wie Krämer meint. Ähnlich nachsichtig seien früher auch Frankreich und Deutschland behandelt worden: "Die EU hat nicht unbedingt die Neigung, so genau hinzuschauen." Bisher scheiterten Sanktionen gegen Defizitsünder, zu denen auch Portugal und Spanien zählten, aber nicht allein an der EU-Kommission, sondern auch an den Mitgliedsländern.

In der Presse kursierten zuletzt Berichte, in Rom gehe die Furcht um, das Land könne am Kapitalmarkt Ziel spekulativer Attacken werden und wolle die EZB für diesen Fall als Nothelfer gewinnen. Vize-Regierungschef und Populisten-Anführer Luigi Di Maio dementierte umgehend: "Wir fragen bei niemandem um Hilfe nach, denn es gibt keinen spekulativen Angriff." Die Zeitung "La Stampa" hatte berichtet, die Regierung wolle einer Herunterstufung der Bonität des Landes entgehen und daher auf die Notenbank zugehen.

Die Ratingagentur Fitch hat den Ausblick für Italien bereits auf "negativ" gesenkt. Damit droht in einem nächsten Schritt eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Die Agentur Moody’s hatte Ende Mai angekündigt, eine Herabstufung des Ratings zu prüfen. Sollten die Details des Etatentwurfs einer genaueren Betrachtung nicht standhalten, könnte Moody's diesen Schritt bereits im Oktober vollziehen, prognostizierten die Experten der DZ Bank. Dann droht Italien neuer Ärger an den Märkten.

Keine Attacke der Finanzmärkte wie 2012 erwartet

Gegen gezielte Hilfe der EZB spricht, dass eine solche Unterstützung im Rahmen eines im Fachjargon "Outright Monetary Transactions" OMT genannten Programms zwingend an das Vorliegen eines Hilfsprogramms gekoppelt ist: "Selbst wenn es sich dabei nur um eine vorsorgliche Kreditlinie mit weicheren Auflagen handeln sollte, wäre dies nicht realistisch. Denn eine populistische Regierung wird sich darauf nicht einlassen", meint Krämer. Mit dem OMT können gezielt Staatsanleihen von kriselnden Euro-Ländern gekauft werden, um die Renditeaufschläge zu drücken. Doch das OMT ist bislang noch nie eingesetzt worden.

Allerdings wirke die EZB im Rahmen ihres laufenden billionenschweren Anleihenkaufprogramms als "stabiler Ankerinvestor", so Krämer. Sie sorge auch damit dafür, dass das Renditeniveau italienischer Anleihen wie auch Bonds anderer Euro-Staaten nicht allzu stark steige. Die Währungshüter um den italienischen EZB-Chef Mario Draghi werden zwar voraussichtlich ab dem nächsten Jahr keine neuen Papiere mehr zukaufen. Aber die Einnahmen aus fällig werdenden Papieren sollen noch längere Zeit in Anleihen reinvestiert werden.

Eine Attacke der Finanzmärkte auf Italien wie im Jahr 2012 erwarten viele Experten daher nicht. "Vorerst zumindest", wie Ökonom Burkert einschränkt: "Auch wegen der Haltung des parteilosen Wirtschafts- und Finanzministers Giovanni Tria. Er hat die Investoren beruhigt, indem er bekräftigt hat, Kurs zu halten." Im Oktober steht mit dem Haushalt der Praxistest an.

(Reuters)