Ökonomen zufolge diskutieren die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde an diesem Vormittag auf ihrer Zinssitzung, ob sie einen Jumbo-Schritt von 0,75 Prozentpunkten beschliessen sollen. Eine so starke Anhebung hat es seit Einführung des Euro-Bargelds noch nie gegeben. Experten zufolge gilt eine Erhöhung um 0,50 Prozentpunkte als Mindestschritt. Die Euro-Wächter hatten im Juli die Abkehr von ihrer jahrelangen Ära der Nullzinspolitik eingeleitet und dabei die Zinsen erstmals seit 2011 nach erhöht. Aktuell liegt der Leitzins in der Euro-Zone bei 0,50 Prozent.

Nach der jüngsten Reuters-Umfrage unter Ökonomen rechnet inzwischen eine knappe Mehrheit der Befragten mit einem Jumbo-Schritt um 0,75 Prozentpunkte. Der Druck auf Lagarde & Co hatte zuletzt deutlich zugenommen. Denn die Inflation in der Euro-Zone erklimmt inzwischen immer neue Höchstwerte. Im August stieg sie auf 9,1 Prozent und ein Abklingen des Teuerungsschubs ist angesichts der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs nicht in Sicht. Die Rate ist mittlerweile mehr als viermal so hoch wie das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent. Bei der heutigen Zinsentscheidung geht es daher auch um die Glaubwürdigkeit der EZB.

Mehrere Währungshüter, darunter der niederländische Notenbankchef Klaas Knot hatten sich dafür stark gemacht, dass auch über einen Jumbo-Zinsschritt diskutiert wird. Dagegen hatten EZB-Direktor Fabio Panetta und Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras Argumente für ein nicht so starkes Vorgehen vorgebracht. Entscheidungshilfen dürften den Euro-Wächtern die neuen Prognosen der EZB-Volkswirte zu Inflation und Wachstum im Euro-Raum liefern, die ihnen bei den Beratungen vorliegen. Erwartet wird, dass diese einen weiteren Anstieg der Inflation vorhersagen und ein deutlich geringeres Wachstum im Euro-Raum. Viele Volkswirte gehen mittlerweile davon aus, dass im Herbst und Winter wegen der Energiekrise eine konjunkturelle Talfahrt droht.

Die EZB wird ihren Zinsbeschluss um 14.15 Uhr verkünden. Um 14.45 wird Notenbankchefin Lagarde vor die Presse treten. Dabei dürfte sie gefragt werden, wie es mit dem Zinserhöhungskurs in den nächsten Monaten weitergeht. Zudem könnte die anhaltende Euro-Schwäche Thema werden. Denn dadurch verteuern sich die Importe - etwa von Öl - was die Inflation noch weiter anheizt. Seit Jahresbeginn hat der Euro zum Dollar bereits knapp zwölf Prozent an Wert eingebüßt. 

(Reuters)