Die EU-Staaten haben sich im Streit um das geplante Öl-Embargo gegen Russland am Dienstag auf einen Kompromiss verständigt. Öl-Importe der EU aus Russland sollen trotz einer Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert werden.
Der frühere Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüsst dieses Embargo, wie er in seiner Eröffnungsrede zum Institutional Money Kongress in Wiesbaden am Mittwochmorgen sagte. Aber der jüngste Sanktionsbeschluss gegen Russland geht Rasmussen zu wenig weit. Der Westen handle generell zu wenig schnell bei den Sanktionen.
Besonders in die Nase sticht Rasmussen, der bekannt ist für seine unnachgiebige Position gegen Russland, die Rolle Ungarns beim Ölembargo. Das Land hatte vor dem Beschluss vom Dienstag wochenlang auf seine grosse Abhängigkeit von russischem Öl verwiesen und eine Einigung auf ein Embargo blockiert. Es blieb unklar, welche Zugeständnisse Ungarn unter seinem rechtsnationalen Regierungschef Viktor Orban bekam, der im Vorfeld Garantien verlangt hatte.
Rasmussen, Nato-Chef von Von 2009 bis 2014, sieht es denn auch als Fehler, dass sich der Kompromiss für das Embargo so lange hinausgezögert habe, während tagtäglich zur Kriegsfinanzierung Hunderte von Millionen Euros vom Westen für russisches Öl und Gas flössen. "Diejenigen, die gegen ein Energieembargo sind, machen sich mitschuldig an den Kriegsverbrechen in der Ukraine", sagte Rasmussen. Viktor Orbán habe ukranisches Blut an seinen Händen.
Rasmussen, der von 2001 bis 2009 Ministerpräsident von Dänemark war, fordert nebst dem Ölembargo schnellstmöglich auch einen Gasboykott, damit Russland den Krieg in der Ukraine nicht mehr finanzieren könne. "Wir haben es bislang nicht geschafft, die russische Wirtschaft in die Knie zu zwingen", so Rasmussen in Wiesbaden weiter.
Mehr als die Hälfte der Ausfälle aus Russland könnten durch zusätzliche Gasimporte anderer Länder und durch Flüssiggas ersetzt werden. Dazu kämen Einsparungen und das Anzapfen von Reserven. "Ich weiss, das wird hohe Kosten verursachen", gab Rasmussen zu. Besonders Italien, Deutschland, Österreich oder die Slowakei würden unter einem solchen Gas-Boykott leiden. "Es sind aber Kosten, die wir uns leisten können. Der Preis dafür ist viel kleiner als ein sich lange hinziehender Krieg."
Denn an einem solchen "eingefrorenen Krieg" in der Ukraine habe Russland alles Interesse, und dies sei das grösste Risiko in diesem Krieg. Russland sei erfahren im Durchhalten von Besatzungen, sagte Rasmussen mit Verweis auf Transistrien oder Georgien. Solange Russland Truppen in der Ukraine habe, sei ein Nato- oder EU-Beitritt der Ukraine praktisch ausgeschlossen.
Rasmussen forderte deshalb weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Denn der Ausgang des Krieges werde die künftige Weltordnung bestimmen. "Wenn die Ukraine verliert, wird es eine Niederlage für die ganze demokratische Welt sein", sagte Rasmussen.