Konkret einigten sich die für Energie zuständigen EU-Minister in Luxemburg darauf, dass bis Ende des Jahrzehnts 40 Prozent der Energie in der EU aus erneuerbaren Quellen kommen müssen, statt wie bisher vorgesehen 32 Prozent. Unter anderem sollen die Projekte im "überragenden öffentlichen Interesse" sein, also bei Klagen vor Gericht zum Beispiel mehr Gewicht bekommen, und schneller genehmigt werden. Gleichzeitig soll der Endenergieverbrauch bis 2030 im Vergleich zum Niveau von 2020 verbindlich um 9 Prozent reduziert werden.

Damit blieben die EU-Länder hinter ehrgeizigeren Vorschlägen der EU-Kommission zurück: Angesichts des Ukraine-Kriegs hatte sie vorgeschlagen, das Ziel für erneuerbare Energie auf 45 Prozent und fürs Energiesparen auf 13 Prozent anzuheben.

Das EU-Parlament muss noch seine Position festlegen, bevor die Institutionen die abschliessenden Verhandlungen beginnen können, um die Vorhaben umzusetzen. Beide sind Teil des "Fit for 55"-Klimapakets der EU-Kommission. Es zielt darauf ab, klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken und soll so zum Gesamtziel beitragen, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Die Minister berieten auch über die Energiesituation im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Die Klimaziele der EU seien nicht nur eine Umwelt- und Wachstums-, sondern auch eine Sicherheitsstrategie, sagte die EU-Energiekommissarion Kadri Simson nach dem Treffen. "Kein Land kann auf sich selbst angewiesen sein", hatte Habeck zuvor deutlich gemacht. "Eine Versorgungskrise in einem Land führt zu einer Wirtschaftskrise im anderen Land." Derzeit sei die Versorgungssicherheit gewährleistet. Mittelfristig drohe jedoch ein Szenario, in dem Reduktionen verordnet werden müssten, sagte Habeck. "Das würde dann meiner Einschätzung nach zu einer schweren Wirtschaftskrise in Europa und in Deutschland führen." Das gelte es unbedingt zu vermeiden.

Simson sagte, wenn die Gasspeicher bis zum Beginn der Heizsaison nicht mindestens zu 80 Prozent aufgefüllt seien, bleibe die EU in "dieser gefährlichen Schwachstelle". Sie warnte mit Blick auf die im Juli geplante zehntägige Routinewartung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1: "Weitere Entscheidungen Russlands, Länder oder Unternehmen willkürlich abzuschneiden, sind nicht auszuschliessen." Seit der Invasion Russland in die Ukraine wisse man, dass eine schwerwiegende Unterbrechung der Gasversorgung möglich sei, und nun scheine sie wahrscheinlich.

"Wir sind hier auf eine Solidarität verpflichtet und angewiesen", sagte Habeck in Bezug auf die Gasversorgung. Deutschland sei bereit, Nachbarländer wie Tschechien, Österreich, Polen und auch Frankreich zu unterstützen - und umgekehrt. "Wir würden überhaupt nicht vorankommen, wenn wir in dieser Situation nicht auf Frankreich, auf Belgien, auf die Niederlande, auch auf Norwegen zurückgreifen könnten, die uns ja unterstützen", sagte der Grünen-Politiker. Auch Algerien erhöhe die Gasmengen, die über Italien geliefert würden.

Das wichtigste Mittel sind nach Ansicht von Habeck konkrete Solidaritätsverträge, die Staaten laut EU-Recht untereinander abschliessen müssen, um die gegenseitige Hilfe zu regeln. Deutschland hat etwa Verträge mit Österreich und Dänemark über solidarische Gaslieferungen abgeschlossen. Weitere zu unterschreiben, scheint jedoch nicht ganz einfach: "Es ist ein bisschen ein zähes Geschäft", gab Habeck zu. Er habe Vorverträge mit osteuropäischen und südosteuropäischen Kollegen vereinbart. "Besser wäre es, wir würden jetzt mal uns auch da einen Schwung geben."

Die Ministerinnen und Minister gaben gleichzeitig dem neuen Gasspeichergesetz das finale grüne Licht, damit es in Kraft treten kann. Somit müssen die Gasspeicher in der EU bis November zu 80 Prozent befüllt werden./dub/DP/men

(AWP)