Als Grund nannten Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten grossen Abstimmung zu einer kritischen UN-Resolution zu Russlands Krieg enthalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu dem Thema am Abend bei einer Pressekonferenz, man wisse, dass auch Länder, die die Resolution nicht unterstützt hätten, den Krieg als ungerecht empfänden. Dies sei ein guter Ausgangspunkt für das, was man sich vorgenommen habe. "Kein Staat hat das Recht, einen anderen zu überfallen und nukleare Drohungen sind nicht akzeptabel", bekräftigte er. Scholz vertrat bei dem Treffen auch den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der zum Halbfinalspiel der Fussballweltmeisterschaft in Katar gereist war.
Bei dem Gipfel machte die EU grundsätzlich deutlich, dass sie trotz Differenzen enger mit den Staaten in Südostasien zusammenarbeiten will - auch, um so den Einfluss von China und Russland zu begrenzen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro an. Das Geld soll die Wirtschaft und die Unabhängigkeit von Ländern wie Indonesien und Thailand stärken, Arbeitsplätze schaffen und den Kampf gegen den Klimawandel fördern.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sagte, auf der geopolitischen Bühne finde ein Kampf der Angebote statt. Wenn man nicht von anderen Akteuren überholt werden wolle, müsse man sich mehr engagieren und mehr investieren. Die Asean-Region habe eine pulsierende Wirtschaft und werde in den kommenden Jahren "wachsen und wachsen".
Indonesiens Präsident Joko Widodo betonte unterdessen, dass die Partnerschaft zwischen EU und Asean nicht nur reibungslos ablaufe. Man sei immer wieder mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. "Wenn wir daher eine bessere Partnerschaft aufbauen möchten, dann muss diese auf Gleichheit beruhen", sagte er. Es könne nicht sein, dass Meinungen aufgezwungen würden oder dass ein Partner dem anderen etwas vorschreibe und glaube, dass seine Standards besser seien.
Ob er damit auch die Kritik an einem indonesischen Gesetz zum Verbot von Sex ausserhalb der Ehe meinte, liess er offen. Trotz Protesten hatte das Parlament des Inselstaats in der vergangenen Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Menschenrechtler hatten das Abgeordnetenhaus zuvor dringend aufgefordert, die neuen Regeln nicht zu verabschieden, weil sie die Bürgerrechte im grössten islamisch geprägten Land der Erde verletzten. Sie soll 2025 in Kraft treten.
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs wurde zum 45-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und Asean organisiert. Es war nach Angaben der EU der allererste in diesem grossen Format. Bislang wurde in der Regel auf Ministerebene getagt. Zum Verband südostasiatischer Nationen gehören derzeit Laos, Brunei, Kambodscha, Indonesien, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die Führung Myanmars ist nach dem Militärputsch 2021 jedoch nicht eingeladen.
Von der Leyen sicherte bei dem Gipfel auch zu, dass die EU weiter das Projekt eines Freihandelsabkommens mit dem Asean-Verband vorantreiben werde. "Ich glaube, wir müssen jetzt die Gelegenheit ergreifen", sagte sie. Verhandlungen zu einem EU-Asean-Handelsvertrag waren in der Vergangenheit nicht vorangekommen und pausiert worden.
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Junior rief die EU beim Gipfel dazu auf, ihre Vorschläge für das Abkommen anzupassen. "Wir fordern die EU auf, den Umfang und den Geltungsbereich ihres vorgeschlagenen Freihandelsabkommens auf das abzustimmen, worauf sich die Asean-Staaten derzeit gemeinsam einigen können", sagte er. Dann könne man bei den Verhandlungen konkrete Fortschritte erzielen. Marcos übernimmt im kommenden Jahr den Vorsitz des Asean-Verbands.
Die zehn Asean-Länder zusammen sind nach Angaben der EU-Kommission einer der wichtigsten Handelspartner der EU. Sie stehen nach China und den USA direkt auf Platz 3. Das gilt auch umgekehrt: Für den Asean ist die EU ebenfalls der drittwichtigste Handelspartner.
2021 betrug das Volumen des Warenhandels zwischen der Europäischen Union und Asean demnach knapp 216 Milliarden Euro. Die EU exportiert demnach unter anderem Chemikalien und Maschinen in die Länder, die Asean-Länder zum Beispiel landwirtschaftliche Erzeugnisse, Textilien und Bekleidung. Hinzu kommt der Dienstleistungssektor: 2019 lag das Volumen der EU-Kommission zufolge bei 93,5 Milliarden Euro. Bislang gibt es aber nur zwei bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und den Asean-Ländern Vietnam und Singapur./jwe/DP/men
(AWP)