Kopp wurde bereits in jungen Jahren für die Geschlechterdiskriminierung sensibilisiert. Der Direktor ihres Gymnasiums - sollte er noch gelebt haben - hat sich vermutlich gewundert. Denn er hatte die Schülerin einst dafür getadelt, dass sie einem Buben einen Platz an der Mittelschule "weggenommen" habe. Als Eisprinzessin wäre sie doch besser aufgehoben, fand er. "Das fand ich unerhört", so Kopp.

Das Thema Gleichstellung trieb die FDP-Politikerin bis ins hohe Alter um. "Warum sollen sich Männer daran stören, wenn möglicherweise bald fünf Frauen im Bundesrat Einsitz nehmen? Während fast 150 Jahren bestand der Bundesrat fast ausschliesslich aus Männern", schrieb Kopp als 73-Jährige im Juli 2010 in einem Essay in der "NZZ am Sonntag". In die Schweizer Regierung gehörten Frauen und Männer.

Welches Geschlecht die Mehrheit habe, sei unerheblich. Entscheidend sei die Eignung für das Amt. "Dass das Thema Geschlecht nicht mehr thematisiert wird, muss der nächste Schritt sein."

"Trotzdem werden an Frauen immer noch andere Massstäbe angelegt. Haben zwei Frauen das Heu nicht auf der gleichen Bühne, wird sofort das abschätzige Wort 'Zickenkrieg' laut. So als gäbe es unter Männern keine Abneigung über die sachliche Differenzen hinaus."

Nicht alles wird mir Frauen besser

Als dann im Herbst 2010 die Landesregierung über eine Frauenmehrheit verfügte, sei sie begeistert gewesen. Die erste Frau im Bundesrat konnte sich bei ihrer eigenen Wahl vor 26 Jahren nicht vorstellen, dass die Schweiz einst mehrheitlich von Frauen regiert werden würde, sagte sie damals. "Dieser Erfolg hat für mich aber mehr symbolischen Charakter", so Kopp. Sie plädierte für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis.

Denn eine Frauenüberzahl führe nicht unbedingt dazu, dass in der Politik alles besser werde. Gemäss Kopp unterscheiden sich die beiden Geschlechter beim Regieren höchstens marginal. Sie könne sich jedoch vorstellen, dass gewisse Anliegen wie familienpolitische Fragestellungen oder Gleichstellungsthemen dank einer Frauenmehrheit in der Landesregierung stärker auf der Agenda stünden.

Frauen verfügten in der Regel zudem über ausgeprägtere Sozialkompetenz. "Sie gehen durchschnittlich mehr auf ihre Mitarbeitenden ein." Das sei innerhalb eines Departementes ein entscheidender Faktor, denn motivierte Mitarbeitende arbeiteten besser.

Gleiche Chancen

Weil Frauen pragmatischer dächten, weniger prestigebwusst seien und weniger voreingenommen Lösungen suchten, brauche es sie in der Politik, betont Kopp 1994. Auch bei Rückschlägen dürfen sie nicht aufgeben. Es habe immer wieder Frauen gegeben, die für ihre Vorreiterrolle bezahlen mussten. Wichtig sei es, selbstkritisch zu sein und sich treu zu bleiben.

Im Bundesrat sollte es nach Auffassung Kopps im Jahr 1993 grundsätzlich Platz für mehr als eine Frau haben. Abgesehen davon, müsse "die beste Person" gewählt werden, unabhängig von deren Geschlecht. Aber, so sagte die frühere Bundesrätin: einer Frau müssten die gleichen Chancen eingeräumt werden wie einem Mann.

(AWP)