Auch für das kommende Jahr zeichnen die Experten ein düsteres Bild: "Der Wohlstandsverlust durch den Abfluss von Einkommen durch die höheren Energiepreise wird auch längerfristig Bestand haben. Das ist kein vorübergehendes Phänomen, das wird uns länger beschäftigen", sagte Schmidt. Die Industrie dagegen zeige sich noch relativ robust, weil Auftragsbücher gut gefüllt seien.

Insgesamt sagen die Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten eine Rezession für Deutschland voraus: Drei Quartale hintereinander werde die Wirtschaft schrumpfen, im zu Ende gehenden Sommerquartal, im Herbst und Anfang 2023. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Experten wegen des besseren ersten Halbjahrs noch mit einem kleinen Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, für 2023 sagen sie dann einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent voraus.

Damit bewerten die Forscher die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter als noch im Frühjahr. Erst für 2024 erwarten sie eine nachlassende Spannung auf den Energiemärkten und damit auch eine wirtschaftliche Erholung.

Die Gaspreise seien der entscheidende Faktor, der die deutsche Wirtschaft in die Rezession treiben werde. Und die Spitze sei hier noch nicht erreicht, hiess es. Die höchsten Energiepreise für Verbraucher würden Mitte des kommenden Jahres erwartet. "Das heisst, dieser Schock, der derzeit die Wirtschaft getroffen hat, der wird noch sehr lange fortwirken", sagte Schmidt.

Mit einem Gasmangel rechnen die Institute dagegen derzeit nicht. "Im Mittel ist keine Gasknappheit in Deutschland zu erwarten im kommenden Winter", sagte Schmidt. Die Versorgungslage bleibe aber äusserst angespannt, was die Preise in die Höhe treibe.

Damit wird sich auch die Inflation der Prognose zufolge weiter verstärken. Für das aktuelle Jahr rechnen die Institute mit einer Teuerungsrate von durchschnittlich 8,4 Prozent, für 2023 mit 8,8 Prozent. Für 2024 gehen sie von sinkenden Energie- und Rohstoffpreisen und damit einer Inflation von 2,2 Prozent aus.

Durch staatliche Hilfspakete kann der Wohlstandsverlust der Bevölkerung aus Sicht der Wissenschaftler nicht ausgeglichen werden. "Das kann man wirtschaftspolitisch begleiten, aber sicher nicht ausgleichen", sagte Schmidt. Wichtig sei mehr Angebot an Strom und Gas, etwa durch Flüssiggas und einen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke "nicht nur jetzt über den Winter, sondern bis wirklich alternative Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland geschaffen wurden".

Die Experten warnen zudem vor einer allzu expansiven Finanzpolitik, um die Inflation nicht zusätzlich anzuheizen. "Man kann diesem Kostenschock eben durch eine Nachfragestimulierung nicht adäquat entgegenwirken." Deshalb müsse man staatliche Unterstützungen gezielt ausrichten - nicht mit dem Ziel, die Nachfrage zu stimulieren, sondern so, dass die Bürger ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen könnten. "Darüber sollte man auch nicht hinausgehen."/tam/DP/nas

(AWP)