Halbleiter-Mangel, Brexit-Chaos, Winter-Wetter: Eine ganze Reihe von Sondereffekten hat die deutsche Wirtschaft im Januar in die Knie gezwungen. Erstmals nach zuvor acht Anstiegen in Folge drosselte sie ihre Produktion. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 2,5 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen einen Anstieg von 0,2 Prozent erwartet, nachdem es im Dezember zu einem Plus von revidiert 1,9 Prozent gereicht hatte. Im Vergleich zum Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Corona-Einschränkungen, lag die Erzeigung um 4,2 Prozent niedriger.

"Der Produktionsrückgang ist wohl vor allem auch eine Brexit-Folge", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger, angesichts des seit Jahresbeginn geltenden neuen Handelsvertrags zwischen Grossbritannien und der EU, der zu Anlaufschwierigkeiten führte. "Gestörte Lieferketten in der Autoindustrie kommen verschärfend hinzu." Die Industrie allein drosselte daher ihre Erzeugung um 0,5 Prozent und damit erstmals seit April 2020. Während die Maschinenbauer ein Plus schafften, brach die Autoproduktion um mehr als zwölf Prozent ein. Das Ministerium machte dafür "Engpässe bei Halbleiter-Produkten in der Kfz-Industrie" verantwortlich, deretwegen Hersteller wie VW vereinzelt sogar ihre Bänder stoppen mussten, weil die nötigen Teile fehlten.

«Bauboom nicht zu Ende»

Die Versorger meldeten im Januar ein Plus von 0,6 Prozent. Im Baugewerbe kam es dagegen zu einem Einbruch von 12,2 Prozent, der wohl teilweise der kalten Witterung geschuldet ist. "Angesichts weiterhin sehr voller Auftragsbücher ist dies aber sicherlich nicht das Ende des Baubooms in Deutschland", sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Offenbar spielte auch die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung eine Rolle, betonte das Statistische Bundesamt. Viele Bauprojekte wurden noch Ende 2020 verbucht, um Geld zu sparen.

Die exportabhängige Industrie kann mit der erwarteten kräftigen Erholung ihrer wichtigsten Auslandsmärkte USA und China mit baldiger Besserung rechnen: Ihre Produktionserwartungen hellten sich im Februar bereits den dritten Monat in Folge auf. Das entsprechende Barometer stieg auf 20,7 Punkte von 9,4 im Januar, wie das Ifo-Institut in seiner monatlichen Umfrage unter 2000 Firmen herausfand. "Die Erwartungen der Branchen sind dabei sehr unterschiedlich", führte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe aus. "Die Autoindustrie will ihre Produktion besonders stark ausweiten, die Bekleidungsindustrie plant, ihre Produktion einzuschränken." Für einen Industrieaufschwung spricht auch die gute Auftragslage: Die Betriebe sammelten im Januar 1,4 Prozent mehr Bestellungen ein, wobei das Auslandsgeschäft mit 4,2 Prozent kräftig zulegte.

Auch ein rasches Industrie-Comeback dürfte allerdings nicht verhindern, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden ersten Quartal schrumpfen dürfte. Zu stark belastet der Corona-Lockdown die Wirtschaft. "Mit Auslaufen der Kontaktbeschränkungen und der zunehmenden Impfung der deutschen Bevölkerung im Jahresverlauf wird sich dann ab dem zweiten Quartal ein kräftiger Aufschwung einstellen und die Wirtschaft im Gesamtjahr deutlich wachsen", sagte der Wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Sebastian Dullien. 2021 insgesamt soll Europas grösste Volkswirtschaft nach Prognose der Bundesregierung um 3,0 Prozent wachsen, nachdem sie im vergangenen Jahr um 4,9 Prozent eingebrochen war.

(Reuters)