Spätestens Ende dieser Woche müssen die Karten auf dem Tisch liegen. Dann endet die Deadline, die sich Donald Trump Anfang September selbst gesetzt hatte. Damals verhängte der US-Präsident US-Zölle gegen China auf zahlreiche Konsumgüter, machte aber zahlreiche Ausnahmen wie etwa auf Smartphones, Laptops oder Spielzeug. Gleichzeitig kündigte er an, diese Ausnahmen am 15. Dezember aufzuheben, sollte bis dahin kein sogenannter Phase-1-Deal mit China zustande kommen.
Konkret drohen nach diesem Sonntag US-Strafzölle auf chinesische Konsumgüter im Wert von 160 Milliarden Dollar. Die Zölle hätten es durchaus in sich. Denn: Anders als bei vorherigen Zollerhebungen würde es sich diesmal insbesondere um Konsum-Produkte aus dem Alltag handeln. Das bedeutet, die Preise für solche Produkte könnten steigen, was wiederum den US-Konsumenten nicht gefallen dürfte.
Kursverluste von vier bis sechs Prozent möglich
Anlegern stehen vor der Frage: Wie reagieren die Märkte, wenn USA und China bis Sonntag keine (Teil-)Einigung verkünden und die Zölle tatsächlich in Kraft treten? cash hat sich umgehört, von welchen Markt-Szenarien Experten bei einem "No-Deal" ausgehen. Eines ist klar: Der Schock für die Märkte sässe tief.
"Sollten die US-Zölle am 15. Dezember tatsächlich in Kraft treten, wären Kursverluste an den globalen Aktienmärkten von vier bis sech Prozent möglich", sagt Thomas Heller, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank. Die Schweizer Börse käme zwar auch nicht ungeschoren davon, aufgrund seiner defensiven Ausrichtung würde er aber "allenfalls etwas weniger einbüssen", so der Anlagechef. Wie massiv die Kursverluste ausfallen, hängt laut Heller allerdings auch vom "Wording" ab.
In die gleiche Kerbe schlägt Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin. "Wie gross der Impact auf die Märkte ausfällt, hängt insbesondere auch von der Rhetorik ab", sagt der Chefökonom der Bank. Heisst: Schwingt in der Kommunikation die Zuversicht mit, dass der Deal lediglich aufgeschoben wird und eine Einigung schon noch kommen werde, würde das den Schaden mildern. Ist der Ton hingegen rau und die Märkte bekommen das Gefühl, dass wirklich Schaden entstehen könnte, ist nach unten vieles möglich.
Einigung in Kursen bereits eingepreist
Das Grundproblem der drohenden Zölle: Die Märkte haben eine Teileinigung im Handelsstreit grösstenteils schon eingepreist. Auch deshalb kratzen die weltweiten Aktienmärkte an ihren Allzeithöchsständen. Dementsprechend wären die negativen Folgen einer Eskalation umso grösser.
"Falls die Zölle im Dezember kommen, wäre das ein riesen Schock für den Marktkonsens", sagt Sue Trinh, Globalstrategin bei Manulife Investment Management gegenüber Bloomberg. Auch für Kerry Craig Marktstratege von JP Morgan Asset Management ist das die Hauptsorge: "Die Märkte haben bereits einen Deal eingepreist, dessen Unterschriften noch ausstehen."
Brazil and Argentina have been presiding over a massive devaluation of their currencies. which is not good for our farmers. Therefore, effective immediately, I will restore the Tariffs on all Steel & Aluminum that is shipped into the U.S. from those countries. The Federal....
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 2, 2019
Wie angreifbar die Märkte auf schlechte Nachrichten im Handelsstreit sind, können Marktteilnehmer seit Monaten praktisch wöchentlich beobachten. Als Donald Trump vorletzte Woche laut darüber nachdachte, dass für ihn eine Einigung mit China auch bis nach den Präsidentschaftswahlen 2020 warten könnte, erlebte die New Yorker Börse die Tage darauf den grössten Ausverkauf der letzten acht Wochen.
«Eskalation kann niemand gebrauchen»
Die Hoffnung der Marktteilnehmer besteht darin, dass es zu solch einem Szenario erst gar nicht kommt. "Keiner kann eine Eskalation gebrauchen", sagt J.-Safra-Sarasin-Experte Junius. Besonders Donald Trump dürfte derzeit eigentlich kaum Interesse haben, den Handelsstreit eskalieren zu lassen. Für SZKB-Experte Heller braucht der US-Präsident den Deal sogar mehr als die Chinesen. "Die Chinesen haben im Gegensatz zu den USA Zeit, schliesslich muss Xi Jinping nicht wiedergewählt werden."
Der Markt geht denn auch insgesamt davon aus, dass die Zölle vom 15. Dezember zumindest (erneut) aufgeschoben werden, wenn auch nicht gänzlich vom Tisch verschwinden. Dementsprechend wäre der positive Impact von ausbleibenden Zöllen auf die Märkte denn auch überschaubar, wie Heller glaubt: "Das Ausbleiben der Zölle wäre natürlich positiv für die Märkte. Doch der negative Fall hätte sicher stärkere Auswirkungen."