Die Chefunterhändler der Europäischen Union und der 19 führenden Industrie- und Schwellenländer einigten sich beim G20-Gipfel auf der indonesischen Ferieninsel Bali nach schwierigen Verhandlungen auf den Entwurf.

EU-Ratspräsident Charles Michel sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, die Einigung sei ein Erfolg für sich. Der Gipfel sei einer der schwierigsten in der Geschichte der G20.

Für Deutschland nimmt Kanzler Olaf Scholz (SPD) teil. Russlands Präsident Wladimir Putin ist nicht auf Bali und lässt sich von seinem Aussenminister Sergej Lawrow vertreten. Innerhalb der G20 gibt es sehr unterschiedliche Haltungen zum Ukraine-Krieg.

Konkret wird in dem Entwurf aus einer Resolution der Vereinten Nationen zitiert, mit der Russland aufgefordert wird, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen aus der Ukraine sofort abzuziehen. "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste", heisst es in dem Entwurf.

Zudem steht dort, dass der Krieg nach Auffassung der meisten G20-Mitglieder die Probleme der Weltwirtschaft verstärkt und zum Beispiel das Wachstum schwächt und die Inflation steigen lässt. Wer die meisten G20-Mitglieder sind, wurde nicht aufgelistet.

Auf Russlands Position wird vor allem mit einem Satz eingegangen: "Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage." Russland akzeptierte demnach auch, dass der russische Angriff klar als Krieg bezeichnet wird - und nicht - wie von Putin vorgegeben - als "militärische Spezialoperation".

Chinesische Kurskorrektur?

Russlands Zustimmung zu dem Textentwurf gilt als mögliches Zeichen dafür, dass Moskau beim Thema Ukraine in der G20-Gruppe nicht mehr auf die volle Unterstützung des mächtigen Partners China zählen kann. Noch am Freitag hatten Diplomaten berichtet, dass Peking in den Vorgesprächen zum Gipfel felsenfest an der Seite Moskaus stehe und eine Einigung auf eine gemeinsame Erklärung damit erschwere.

Wenn dies stimmt, scheint die Unterstützung durch China in diesem Punkt nachzulassen. Als eine mögliche Erklärung gilt, dass die aufstrebende asiatische Macht wegen ihrer Exportabhängigkeit stark an einer positiven weltwirtschaftlichen Entwicklung interessiert ist und auch kein Interesse daran haben dürfte, dass schlechte Beziehungen zu den USA und der EU die eigene Entwicklung hemmen.

Druck aus den USA?

Zeichen dafür könnte auch sein, dass sich US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Montag vor dem Beginn des G20-Gipfels rund drei Stunden lang intensiv austauschten. Es war das erste persönliche Gespräch seit Bidens Einzug ins Weisse Haus vor rund zwei Jahren. Zuletzt waren die Beziehungen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten als eisig beschrieben worden.

Deutliche Worte zu atomaren Drohungen

Einen Erfolg bei den Verhandlungen über die Abschlusserklärung konnten die westlichen Industrienationen auch beim Thema Atomwaffen verbuchen. So stimmte Russland Diplomaten zufolge zu, dass nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird.

Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz hatte zuletzt unter anderem die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten geschürt. Putin kündigte danach an, man werde sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.

Zudem sorgte Moskau mit Behauptungen für Unruhe, dass die Ukraine plane, zur Diskreditierung Russlands eine radioaktive Bombe zu zünden. Weil es dafür keinerlei Beweise gibt, wurde befürchtet, dass eigentlich Russland einen solchen Schritt in Erwägung ziehen könnte, um danach die Ukraine für die Tat verantwortlich zu machen.

Nichts Neues beim Thema Energie

Keine grossen Erfolge konnte der Westen hingegen in Fragen der Energiesicherheit erzielen, die vor allem in Europa durch die drastisch gesunkenen Lieferungen von Öl und Gas aus Russland gefährdet ist.

In dem Entwurf für die Abschlusserklärung betonen die G20-Mitglieder lediglich, dass dringend etwas getan werden müsse, um mehr Stabilität auf dem Energiemarkt zu erreichen. Die Energiewende solle sauber und nachhaltig gestaltet werden.

Die Zentralbanken sollen sich stark für finanzielle Stabilität und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen einsetzen. Die Inflation in vielen Mitgliedsstaaten werde genau beobachtet - und die Geldpolitik weiterhin angemessen angepasst, heisst es in dem Entwurf.

Die G20 fordern weitere internationale Zusagen zur finanziellen Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern über sogenannte Sonderziehungsrechte. Das Sonderziehungsrecht ist ein vom Internationalen Währungsfonds eingeführtes Reserveguthaben, das allen Mitgliedstaaten zusätzlichen finanziellen Spielraum verschafft. Grosse IWF-Mitglieder können ihr Ziehungsrecht an ärmere Staaten abtreten. Ziel seien 100 Milliarden US-Dollar an freiwilligen Beiträgen für notleidende Staaten.

Gipfelgastgeber Widodo warnt vor Spaltung der Welt

Zu Beginn des G20-Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer warnte der indonesische Präsident Joko Widodo als Gastgeber vor einer neuen Spaltung der Welt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in einen neuen Kalten Krieg geraten." Er appellierte an die Teilnehmer: "Wir sollten die Welt nicht in zwei Teile trennen."

Mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine fügte Widodo hinzu: "Wir müssen den Krieg beenden. Wenn der Krieg nicht zu Ende geht, wird es schwierig, unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht zu werden."

Beim zweitägigen G20-Gipfel sind neben der EU die Länder Deutschland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten.

(AWP)