"Ab 2024 werden die Vorgaben der Schuldenbremse nicht eingehalten", sagte Anna Giacometti (FDP/GR), Sprecherin der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N). Sie wiederholte, was Finanzminister Ueli Maurer seit Monaten immer wieder predigt: "Es besteht dringender Bereinigungsbedarf." Bundesrat und Parlament müssten sofort handeln.
Die Landesregierung will im nächsten Frühling Massnahmen im Hinblick auf das Bundesbudget 2024 vorlegen. Steuererhöhungen sind laut Giacometti keine Option, weil es dafür eine Verfassungsänderung bräuchte. Die Ansichten, wie auf die schwierige Haushaltslage reagiert werden soll, gehen je nach Fraktion aber deutlich auseinander.
"Wie in einem Selbstbedienungsladen"
Die SVP plädiert dafür, Prioritäten zu setzen, wie es Fraktionssprecher Lars Guggisberg (BE) ausdrückte. Das Ausgabenwachstum bei der internationalen Zusammenarbeit oder beim Bundespersonal müsse gebremst werden, "sonst schlagen wir unsanft auf dem Boden der Realität auf". Das Parlament verhalte sich aktuell "wie in einem Selbstbedienungsladen".
Alex Farinelli (FDP/TI) verglich den Bundeshaushalt gar mit dem Untergang der Titanic. "Die Bundesfinanzen bewegen sich in alarmierende Richtung und drohen, mit einem Eisberg zu kollidieren, von dem wir momentan nur die Spitze sehen." Das Ziel müsse die Sicherung solider Finanzen sein. "Entweder wir finden eine grosse Diamantenmine oder wir müssen sparen", sagte Farinelli.
Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) analysierte die Situation nüchterner: Das Einnahmenwachstum habe in den vergangenen Jahren das Parlament dazu verführt, Mehrausgaben zu genehmigen. Nun wüchsen die Steuereinnahmen weniger schnell als auch schon. Deshalb sei nun Ausgabendisziplin angezeigt.
Kritik an der Schuldenbremse
Weniger dramatisch sieht es die Ratslinke. Die Mehrbelastungen ab 2024 seien "nicht besonders beunruhigend", sagte SP-Fraktionssprecherin Sarah Wyss (BS). Der Sanierungsbedarf sei erheblich, aber nicht ausserordentlich. Die Schuldenquote sei im internationalen Vergleich noch immer tief. "Deshalb ist keine Sparwut angezeigt."
Die Pandemie habe gezeigt, dass sich Investitionen lohnten, hielt auch Gerhard Andrey (Grüne/FR) fest. Die Bürgerlichen bauten jedoch lieber Schulden ab, als nachhaltige Investitionen zu tätigen. Das sei der falsche Weg und schränke den Handlungsspielraum unnötigerweise ein.
Roland Fischer (LU) kritisierte im Namen der GLP-Fraktion das Instrument der Schuldenbremse. Dass Schulden nur in ausserordentlichen Situationen zulässig seien, sei nicht sinnvoll. Das System der Schuldenbremse müsse "etwas wachstumskonformer" ausgestaltet werden. Die sich abzeichnenden Defizite seien an sich kein Problem, so Fischer. "Die Bundesfinanzen sind noch immer im Lot." Ein Teil der Schulden werde durch das Wirtschaftswachstum abgebaut.
Mehr Geld für Schweizer Forscher
Nach der allgemeinen Aussprache liefen die Diskussionen zum Voranschlag 2023 verhältnismässig ruhig ab. Das liegt daran, dass das Budget im nächsten Jahr noch konform ist mit der Schuldenbremse. Die vorberatende Kommission hatte nur wenige Anpassungen angeregt.
Diskutiert wurden am Dienstag zwei von sechs Themenblöcken. Bei den Beziehungen zum Ausland und der Migration verzichtete der Nationalrat auf Anpassungen gegenüber der Vorlage des Bundesrats.
Dagegen sollen Schweizer Forschende, die momentan vom EU-Horizon-Geldtopf ausgeschlossen sind, von mehr Bundesgeldern profitieren. Der Nationalrat stimmte zwei Kreditumlagerungen in Höhe von insgesamt 85 Millionen Franken zu.
Zudem sprach der Nationalrat zusätzliche 360'000 Franken zugunsten der Verbesserung der Ethik-Situation im Sport. Oppositionslos stellte die grosse Kammer ferner zusätzliche 650'000 Franken zugunsten der Staffel-Weltmeisterschaft 2024 in Lausanne zur Verfügung.
Der Nationalrat setzt die Budgetdebatte am Mittwochvormittag fort.
(AWP)